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Markus Lanz (Archivbild).

© IMAGO/teutopress GmbH

„Mich berührt das gerade sehr“: Als die russische Aktivistin spricht, kommen Lanz fast die Tränen

Rückkehr einer Nörglerin: Sahra Wagenknecht lässt sich bei „Lanz“ blicken – und beschwert sich, dass sie zu selten eingeladen wird. Ein Gast rührt Lanz zu Tränen. Die TV-Kritik.

Stand:

Der Krieg gegen die Ukraine geht unvermindert weiter, nun steht die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk unter starkem Beschuss. Wie sollte Deutschlands Ukraine-Unterstützung aussehen? Nicht nur über diese Frage wird am Donnerstagabend bei „Lanz“ gestritten. Die ZDF-Sendung in der TV-Kritik.

Die Gäste

  • Sahra Wagenknecht, BSW-Vorsitzende
  • Carlo Masala, Militärexperte von der Universität der Bundeswehr München
  • Maria Aljochina, russische Aktivistin
  • Kerstin Münstermann, Journalistin der „Rheinischen Post“

Lanz und Wagenknecht: Wie zwei Schulkinder

Es ist nicht allzu lange her, da zählte Sahra Wagenknecht noch zu den Dauergästen der deutschen Talkshows. Nicht zuletzt bei Markus Lanz konnte sich die Linken-Abtrünnige und BSW-Chefin den Zuschauern bekannt machen, was bei ihrer Parteigründung wohl nicht geschadet haben dürfte.

Nun aber steht Wagenknecht offenkundig auf Kriegsfuß mit den „Talkmastern“, wie sie Lanz und Co. nennt. Das zeigt der etwas lächerliche Schlagabtausch, den sich Lanz und die BSW-Chefin gleich zu Beginn liefern. Es ist der Auftakt einer rundum bemerkenswerten Sendung.

„Wir haben uns länger nicht gesehen“, begrüßt Lanz Wagenknecht mit süffisantem Unterton. „Herr Lanz, wenn Sie mich nicht einladen, sehen Sie mich nicht“, kontert Wagenknecht, noch halb im Spaß.

Zwar habe sie die letzte Einladung zur Sendung ausgeschlagen, weil sie krank gewesen sei, sagt Wagenknecht. „Aber vorher haben Sie mich auch ein halbes Jahr oder Dreivierteljahr hier nicht bei Ihrer Sendung haben wollen, wie leider andere öffentlich-rechtliche Talkshows auch.“

„Fühlen Sie sich diskriminiert in Sachen Talkshowauftritte?“, fragt Lanz belustigt. Wagenknecht lacht nicht mehr. Sie stellt eine These auf, die sie durch die ganze Sendung begleiten wird: Viele Menschen hätten den berechtigten Eindruck, „dass die Meinungsvielfalt eingeschränkt wird“.

Das zeige sich am BSW ganz deutlich: „Wir werden schon deutlich ausgegrenzt, weil man offensichtlich unsere Meinung nicht so gerne hören möchte.“

„Haben Sie noch einen, haben Sie noch einen?“, stichelt Lanz, der Wagenknecht nicht ganz ernst nimmt. „Bei Ihnen komme ich manchmal in Wallung“, frotzelt er.

Was dann folgt, ähnelt Diskussionen in der Grundschule: Lanz und Wagenknecht werfen sich gegenseitig Zahlen an den Kopf, die beweisen sollen, dass das BSW in Talkshows unter- beziehungsweise überrepräsentiert ist.

Russland-Raunen

Unabhängig von der Frage, wie viel Schlagseite der öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich hat, ist Wagenknechts Kritik daran ein bisschen sehr holzschnittartig. Das zeigt sich insbesondere, wenn es um den russischen Krieg gegen die Ukraine geht.

„Herr Merz setzt sich bei Miosga ins Fernsehen und lügt“, sagt Wagenknecht etwa. Sie bezieht sich auf die Vermutung des Kanzlers, dass die jüngst über Deutschland gesichteten Drohnen aus Russland stammen würden. Dies sei „teilweise widerlegt“, behauptet Wagenknecht. Militärexperte Carlo Masala widerspricht ihr vehement.

Es gehe darum, „dass nicht wir in eine Hysterie hineingeredet werden“, sagte Wagenknecht. „Hier entsteht aber so im Hinterkopf das Geraune, Russland greift uns an, und irgendwann sind wir mit Russland im Krieg.“

Wie Lanz berechtigterweise feststellt, raunt Wagenknecht selbst ganz schön viel. Etwa als Masala sagt, dass nur Russland ein Ende des Kriegs verhindere. Die Russen hätten den Krieg „nicht begonnen, um Territorium zu gewinnen“, behauptet hingegen Wagenknecht. „Sie haben diesen Krieg begonnen, weil sie keine Nato-Soldaten, keine Nato-Raketen an ihrer Grenze haben wollten.“

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Gulag statt Meinungsfreiheit

Es gäbe viel darüber zu sagen, wie Wagenknecht hier Tatsachen verdreht und dabei gekonnt ignoriert, welche Ideologie hinter dem Angriff Russlands steckt. Die ebenfalls anwesende russische Aktivistin Maria Aljochina formuliert es so: „Sie wiederholen fast Wort für Wort genau das, was in Russland von den Propagandasendern zu hören ist“, wirft sie Wagenknecht vor.

Wozu es führen kann, in Russland seine Meinung zu sagen, hat Aljochina selbst erlebt. Die Aktivistin war Teil des russischen Perfomancekollektivs „Pussy Riot“, das 2012 mit dem „Punk-Gebet“ in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale weltweit Bekanntheit erlangte.

Maria Aljochina, von Pussy Riot (Archivbild).

© dpa/Matthias Balk

Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gelang ihr 2022 eine spektakuläre Flucht aus Russland. In der Sendung berichtet sie über ihre Erfahrungen in einem russischen Straflager, wo sie zwei Jahre lang inhaftiert war. Dieses Lagersystem unterscheide sich kaum vom Gulag in der Sowjetunion, sagt Aljochina.

Bis zu hundert Personen würden gemeinsam in Baracken leben, es gebe kaum Toiletten und kein fließendes Wasser. Bereits der wochenlange Transport in die Lagerhaft sei „eine Foltermethode“, sagt die Aktivistin.

Ob sie sich angesichts des langen Arms des russischen Regimes sicher fühle in Europa, möchte Lanz von Aljochina wissen. „Ich habe noch nie Sicherheit gesucht“, sagt sie.

Plötzlich wird Lanz emotional

Inmitten des Gesprächs zwischen Aljochina und Lanz ereignet sich der wohl denkwürdigste Moment des Abends. Die Kamera schwenkt zu Lanz, der Moderator setzt zur nächsten Frage an. Plötzlich gerät seine Stimme ins Stocken. Er holt tief Luft, starrt auf seine Moderationskarten, dann wandert sein Blick durch den Raum.

Lanz schweigt. Dem sonst so redseligen Moderator fehlen die Worte.

Nach zehn langen Sekunden, in denen im Studio kein Mucks zu hören ist, scheint sich der Moderator gesammelt zu haben. „Mich berührt das gerade sehr“, sagt er zu Aljochina, beinahe zu Tränen gerührt.

2018 habe er in St. Petersburg junge russische Regimegegnerinnen getroffen, „die genau so waren wie Sie“, erzählt der sichtlich angefasste Lanz. „Ich frage mich oft, was aus diesen Leuten, die wir damals interviewt haben, was ist aus denen geworden? Ich habe keine Ahnung.“

Wagenknecht zieht groteske Parallelen

Wagenknecht scheinen die Schilderungen Aljochinas weniger berührt zu haben. „Das ist natürlich entsetzlich“, sagt sie zwar, nachdem die Aktivistin ihre Erfahrungen in der russischen Haft geschildert hat. Im selben Atemzug schwenkt die BSW-Chefin dann jedoch weg von Russland, zurück ins Allgemeine, ja ins Groteske.

Es gebe viele Länder, in denen sie nicht gerne leben würde, sagt die BSW-Chefin. Gerade deshalb müsse man „alles dafür tun, dass in unserem Land Demokratie und Freiheit gewahrt bleiben und wir nicht auch immer repressiver werden“. Auch?

„Ich nehme mit wirklicher Sorge zur Kenntnis, dass auch bei uns Druck, Einschüchterung zunehmen, dass es Hausdurchsuchungen gibt, wenn jemand einen falschen Post macht“, führt die BSW-Chefin aus. Sie beklagt einen „Trend, der gefährlich ist“: Ein „Großteil der Bevölkerung“ traue sich nicht mehr, seine Meinung zu sagen.

„Natürlich kommt man nicht ins Lager, aber man hat berufliche Nachteile, man kann seine Karriere verspielen“, sagt Wagenknecht. „Das sind alles keine russischen Verhältnisse, ich will das überhaupt nicht vergleichen“, beteuert sie – und tut es eben doch.

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