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Der Salafist Abu Walaa muss sich seit Dezember vor dem Oberlandesgericht in Celle verantworten.

© dpa

Extremismus in Deutschland: Militante Milieus wachsen weiter

Deutsche Sicherheitskreise registrieren steigende Zahlen bei Links- und Rechtsextremen, bei Reichsbürgern und Salafisten. Die Gefahr rechten Terrors bleibt hoch.

Von Frank Jansen

Mehrere extremistische Szenen in Deutschland sind nach Informationen des Tagesspiegels weiter gewachsen. Im vergangenen Jahr sei allein die Zahl der Linksextremisten um mindestens 800 Personen auf deutlich mehr als 29.000 gestiegen, heißt es in Sicherheitskreisen. Für 2016 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 28 500 Linksextreme gemeldet. Bei den Rechtsextremisten gab es einen ähnlichen Zuwachs. Hier nähert sich die Zahl der Marke von 24.000 Personen, 2016 waren es 23.100. Alle Werte beruhen auf vorläufigen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden und können sich noch leicht ändern.

Zusätzliche Sorgen bereitet Polizei und Nachrichtendiensten die Zunahme der militanten Milieus in den extremistischen Szenen. Bei den Linksextremisten stieg die Zahl der Autonomen und weiteren gewaltorientierten Fanatiker auf knapp 9000 Personen (2016: 8500). Das Hardcore-Milieu profitiere von der starken Mobilisierung der linksextremen Szene zu den Protesten gegen den G-20-Gipfel im vergangenen Juli in Hamburg, sagen übereinstimmend mehrere Sicherheitsexperten. Am Rande des Gipfels hatten Autonome aus dem In- und Ausland in der Hansestadt heftig randaliert.

Bei den Rechtsextremisten wuchs der Anteil des gewaltorientierten Milieus auf mindestens 12.500 Personen (2016: 12.100). Die Tendenz erscheint paradox, weil die Zahl der rechten Gewalttaten im vergangenen Jahr nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei rückläufig zu sein scheint.

Die Gefahr rechtsextremen Terrors lässt offenbar nicht nach

Andererseits lässt die Gefahr rechtsextremen Terrors offenbar nicht nach. Die Bundesanwaltschaft leitete nach Angaben der Bundesregierung im vergangenen Jahr sechs Ermittlungsverfahren „mit Bezug zu Rechtsterrorismus in Deutschland“ ein. Im Fall des Bundeswehr-Oberleutnants Franco A., der sich als syrischer Asylbewerber registrieren ließ und Anschläge auf hochrangige Politiker plante, hat die Bundesanwaltschaft im Dezember Anklage erhoben. Vorgeworfen wird dem Offizier unter anderem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Das Spektrum rechtsextremistischer Parteien wird trotz des Wachstums der Szene schwächer. Ein Grund sind Verluste der NPD, die trotz des im Januar 2017 überstandenen, zweiten Verbotsverfahrens auf unter 5000 Mitglieder schrumpfte. Außerdem löste sich die wenige hundert Mitglieder zählende Minipartei „Pro Deutschland“ im November auf.

Die „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, die das staatliche System der Bundesrepublik nicht anerkennen und die der Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextremistisch einstuft, werden inzwischen auf 15.000 Personen taxiert. Das sind 5000 mehr, als das BfV im Jahresbericht 2016 gemeldet hatte. Sicherheitskreise bezweifeln jedoch, dass die Szene tatsächlich so stark gewachsen ist. Es wirke sich auch aus, dass der Verfassungsschutz seit 2016 das Spektrum der Reichsbürger bundesweit unter die Lupe genommen und jetzt einen besseren Überblick habe.

Bei den Islamisten setzt sich das rapide Wachstum der Salafistenszene fort, obwohl in den vergangenen Jahren Vereine verboten und Hassprediger wie Sven Lau und Abu Walaa inhaftiert wurden. Bereits im Dezember hatte BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen von 10.800 Personen gesprochen und die Marke als „Allzeithoch“ bezeichnet. 2016 hatte der Nachrichtendienst 9700 Salafisten festgestellt. 2014 waren es noch 7000.

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