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Politik: Milosevic regiert, die Opposition resigniert. Und in Montenegro droht ein Krieg (Kommentar)

Das Jahr 1999 war ganz nach Slobodan Milosevics Geschmack. Er hat die Luftangriffe bekommen, die er brauchte, um die Macht über sein schrumpfendes Reich noch einmal zu festigen.

Das Jahr 1999 war ganz nach Slobodan Milosevics Geschmack. Er hat die Luftangriffe bekommen, die er brauchte, um die Macht über sein schrumpfendes Reich noch einmal zu festigen. Milosevic bestimmt das Tempo, und die internationale Gemeinschaft, stets in Zugzwang, zieht nach. Er frohlockt, wenn der Westen stur am Embargo festhält, obwohl dieses längst kontraproduktiv geworden ist. Das Belgrader Regime lebt von der Isolation, zu der die internationalen Sanktionen einen willkommenen Beitrag leisten. Selbst die Nato kann über ihren "Erfolg" im Kosovo-Konflikt nicht wirklich froh sein. Tag für Tag liefert die überforderte UN-Verwaltung dem Autokraten neue Argumente für seine Propaganda. Angehörige der serbischen Minderheit sind dort "Freiwild" - wie es einst die Kosovo-Albaner zu Zeiten des Belgrader Apartheidstaates waren. Doch auch die Kosovaren scheinen sich inzwischen mehr vor den mafiosen Banden zu fürchten, die junge Frauen verschleppen oder Schutzgelder eintreiben, als einst vor den serbischen Polizisten.

Aus Serbien selbst nur schlechte Nachrichten: Die Opposition musste vor ein paar Tagen die im Herbst viel versprechend gestarteten Demonstrationen gegen Milosevic"mangels Erfolg" einstellen. Am Ende wollte kaum noch jemand bei winterlicher Kälte die immer gleichen Reden der immer gleichen Oppositionsführer anhören. Diese streiten nach wie vor mit Vorliebe unter sich. Milosevic kann da schalten und walten, wie er will. Gerade hat das Belgrader Regime wieder drei missliebige Richter entlassen. Ihr "Vergehen": Sie stehen angeblich der Opposition nahe. Dass die Entlassungen im Widerspruch zur Verfassung stehen, spielt dabei keine Rolle. Der Rechtsstaat ist in der serbischen "Demokratur" ohnehin nur Fassade.

Milosevic könnte triumphieren und sich großzügig zeigen. Doch der Kampf gegen Kritiker und unabhängige Medien wird erbarmungslos weiter geführt. Die tapferen Redakteure des unabhängigen Blatt "Danas" werden fast wöchentlich mit neuen Geldstrafen eingedeckt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzten kritischen Stimmen verstummen. Das Belgrader Herrscherehepaar, die neokommunistische Mira Markovic und ihr Gatte Slobodan Milosevic, arbeiten hart am neuen Serbien von orwellschen Dimensionen. Das Haager-Kriegsverbrechertribunal sei "die Gestapo von heute", deklariert die resolute First Lady.

Aus Belgrader Sicht ist Serbien der bedrängte "Hort der Freiheit" in einer von den USA und den Europäern im Schlepptau kolonisierten Welt. Gegen den übermächtigen Feind schmiedet man die Allianz der "freien Staaten" - mit Weißrussland, Nordkorea, Libyen oder dem Irak. Neben der Rhetorik geht es um nackte Wirtschaftsinteressen: Von Bagdad und Tripolis verspricht sich Serbien dringend benötigtes Öl. China hat humanitäre Hilfe im Wert von 300-Millionen-Dollar versprochen. Das Verhältnis zu Moskau ist zwiespältiger. Präsident Boris Jelzin wird als "Mann Washingtons" gesehen. Die Belgrader Hoffnung, der Kommunistenführer Gennadij Sjuganow werde schon bald im Kreml das Zepter übernehmen, scheint sich zu zerschlagen. Die Allianz der "freien Staaten" soll fürs Erste das Überleben sichern.

Milosevic wird auch im Jahr 2000 das Tempo auf dem Balkan bestimmen. Im Konflikt mit dem abtrünnigen Montenegro rüsten seine Statthalter bereits zum fünften Krieg innerhalb von zehn Jahren. Wenn nicht alles täuscht, wird der Westen auch diesmal erst sehr, sehr spät aufschrecken.

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