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Bodo Ramelow gratuliert seinem Nachfolger Mario Voigt

© IMAGO/ari/imago

Minderheitsregierung in Thüringen steht: Voigt ist mit Linken-Hilfe Ministerpräsident – aber diese will seine Koalition nicht tolerieren

Mario Voigt (CDU) wird beim ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt. Geklappt hat dies nur, weil die Linke mit Stimmen aushalf – doch auf deren Unterstützung wird er nicht immer zählen können.

Stand:

Der Thüringer Landtag hat einen neuen Ministerpräsidenten gewählt. Im ersten Durchgang trat der CDU-Politiker Mario Voigt ohne Gegenkandidaten an – mit Erfolg. Der 47-Jährige wird nun die bundesweit erste Brombeer-Koalition aus CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD anführen, die im Landtag aber keine eigene Mehrheit hat.

Erforderlich war in den ersten beiden Wahlgängen eine absolute Mehrheit von mindestens 45 Stimmen der 88 Abgeordneten. Voigts Koalition hat im Parlament aber nur 44 der 88 Sitze. Allerdings konnte er mit Stimmen der Linken rechnen, das kündigte deren Fraktionschef Christian Schaft vorab an. „Die AfD darf keine Bühne bekommen“, begründete er die Entscheidung.

Thüringer Linke plant keine Tolerierung der Brombeer-Koalition

Allerdings betonte, dass seine Partei keine Tolerierung der Koalition aus CDU, BSW und SPD im Landtag plant. „Wir sind eigenständig, die Brombeere arbeitet eigenständig“, sagte Schaft nach der Wahl in Erfurt.

Vielmehr gebe es ein offizielles Gesprächsformat, um zu „demokratischen Mehrheiten zu kommen“. Bei der Vereinbarung handele es sich um eine „Selbstverpflichtung der Brombeere, uns in die Vorhaben einzubinden“, so Schaft.

AfD stimmte geschlossen gegen Voigt

Die Wahl war für Voigt und seine in schwierigen Verhandlungen geschmiedete Brombeer-Koalition riskant: Die AfD mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke stellt in Thüringen als bisher einzigem Bundesland die stärkste Landtagsfraktion mit 32 Abgeordneten.

Die Thüringer AfD, die vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet wird, hatte ihr Abstimmungsverhalten offen gelassen. Die Brombeer-Koalitionäre trieb vor der Wahl die Sorge um, Voigt könnte mit Stimmen der AfD ins Amt kommen.

Die AfD habe allerdings „komplett und geschlossen“ gegen Voigt gestimmt, erklärte deren Landeschef Björn Höcke. Er warf Voigt vor, ein Regierungschef von „Gnaden“ dreier linker Partner zu sein. „Voigt hat mehr linke Partner als die CDU konservative Werte“, sagte Höcke.  

CDU-Politiker Mario Voigt bei seiner Vereidigung zum neuen Ministerpräsidenten von Thüringen.

© dpa/Martin Schutt

Unmittelbar nach der Wahl wurde Voigt als Ministerpräsident im Landtag vereidigt. Er sprach die Eidesformel mit religiösem Bekenntnis. In seiner Antrittsrede stellte er heraus, dass er der erste Ministerpräsident Thüringens ist, der den Großteil seines Lebens im wiedervereinigten Deutschland verbrachte.

Die besondere Perspektive als Politiker aus den ostdeutschen Bundesländern sei ihm wichtig. Er wolle innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen vermitteln, dass Thüringen ein selbstbewusstes Land sei, auf das er stolz sei.

Als Schwerpunkte seiner politischen Arbeit während der kommenden fünf Jahre nannte Voigt die Bildungs-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitik. Er werde als Ministerpräsident alle Generationen und alle Regionen im Blick behalten.

Voigt dankte ausdrücklich seinem Amtsvorgänger, dem Linkenpolitiker Bodo Ramelow. Dieser habe das Land zehn Jahre lang durch schwierige Zeiten geführt. Ramelow habe diese Aufgabe trotz gesellschaftlicher, finanzieller und wirtschaftlicher Herausforderungen stets mit einer gewinnenden Herzlichkeit bewältigt.

Der scheidende Ministerpräsident war der Erste, der Voigt nach der Wahl gratuliert hat.

Bodo Ramelow gratuliert seinem Nachfolger Mario Voigt.

© dpa/Martin Schutt

CDU-Chef Merz gratuliert Voigt zur Wahl

Auch aus Berlin kamen nach Voigts Wahl Glückwünsche. „Unter sehr schwierigen Bedingungen und ohne Zugeständnisse in den Grundsatzfragen unserer Politik ist es der CDU gelungen, in Thüringen nach über fünf Jahren des Stillstandes wieder eine Regierung zu bilden. Ein großer Erfolg für den Freistaat Thüringen“, schrieb CDU-Chef Friedrich Merz auf der Plattform X.

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Auch CSU-Chef Markus Söder schrieb: „Willkommen im Kreis der Ministerpräsidenten. Freue mich sehr auf die enge Zusammenarbeit der beiden starken Freistaaten Bayern und Thüringen.“

BSW-Chef schenkt Voigt einen Brombeer-Strauch

Während viele Gratulanten Blumensträuße bringen, überreichen die BSW-Landesvorsitzenden Steffen Schütz und Katja Wolf dem frisch gewählten Ministerpräsidenten einen Brombeer-Strauch – passend zur Koalition.

Mario Voigt (l) wird von Katja Wolf, BSW-Fraktionschefin und Steffen Schütz, Co-Landesvorsitzender des BSW, beglückwünscht.

© dpa/Martin Schutt

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hat vor der Ministerpräsidentenwahl eingeräumt, dass die Auseinandersetzungen über die Positionierung ihrer Partei in den Koalitionsverhandlungen in Thüringen dem BSW geschadet haben. „Der Streit war nicht gut“, sagte Wagenknecht der „Süddeutschen Zeitung“ vom Donnerstag.

„Aber er hat dazu geführt, dass nachverhandelt wurde und CDU und SPD uns mehr entgegenkommen mussten“, zeigte sie sich überzeugt.

Unmut bei manchen CDU-Politikern über Koalition mit dem BSW

In der Union gab es mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen generell Unmut über eine Zusammenarbeit mit dem BSW. „Wer abwiegelt und erklärt, es gehe hier nur um eine Länderangelegenheit, hat den Staatsaufbau der Bundesrepublik nicht verstanden“, sagte der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels CDA, Dennis Radtke, kurz vor der Ministerpräsidentenwahl der „Welt“.

Dennis Radtke von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) ist gegen eine Zusammenarbeit mit dem BSW.

© dpa/Jacob Schröter

Jeder Landesminister habe das Recht, im Bundestag zu reden. „Ich finde die Vorstellung unerträglich, dass dort demnächst BSW-Landesminister (Russlands Präsidenten) Wladimir Putin huldigen können“, sagte Radtke.

Wegen des Themas Krieg und Frieden stand die sogenannte Brombeer-Koalition zwischenzeitlich auf der Kippe, ein Kompromiss stellte dann aber auch BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht zufrieden. Erst kürzlich bezeichnete Wagenknecht CDU-Chef Friedrich Merz als „Kriegshasardeur“. Der lehnt eine Koalition mit dem BSW auf Bundesebene ab.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Chef der Hamburger CDU, Christoph Ploß, sagte der „Welt“: „Vor allem in der Außenpolitik sind die Positionen von Sahra Wagenknecht brandgefährlich für unser Land.“ Man müsse aufpassen, „dass wir nicht aus einer vermeintlichen staatspolitischen Verantwortung faule Kompromisse eingehen, die am Ende die politische Mitte und damit unsere Demokratie insgesamt aushöhlen.“

CDU-Mitglied Frank Sarfeld, der eine Unterschriftenliste von Kritikern einer Zusammenarbeit mit dem BSW führt, sagte der „Welt“: „Wir können nicht vor Koalitionen mit den Grünen warnen, um uns dann mit der Querfront-Partei einer stalinistisch angehauchten Links- und Rechtspopulistin und Putin-Appeaserin einzulassen.“ (dpa/Tsp)

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