
© Britta Pedersen/dpa
Ministerin Reiche schlägt Reformen vor: „Wir müssen in Deutschland insgesamt mehr arbeiten“
Unionsfraktionschef Spahn sieht mehr Wirtschaftswachstum als „Schicksalsfrage dieses Landes“. Die zuständige Ministerin hat Ideen, wie das erreicht werden könnte. Ralf Stegner von der SPD widerspricht.
Stand:
Die Union dringt in der schwarz-roten Koalition auf mehr Schritte zur Förderung des Wirtschaftswachstums. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) fordert dafür Reformen, die volkswirtschaftlich zu mehr Gesamtarbeitszeit führen und zugleich Kündigungen erleichtern. „Wir müssen Deutschland wieder zurück auf die Überholspur bringen“, sagte sie dem Nachrichtenportal „t-online“.
Als Stellschrauben für mehr Arbeitszeit schlug Reiche ein höheres Renteneintrittsalter oder alternativ Anreize für eine höhere Wochenarbeitszeit vor. „Wir müssen in Deutschland insgesamt mehr arbeiten“, sagte sie. Außerdem sollten mehr Beschäftigte aus Teilzeit- in Vollzeitjobs gebracht werden, etwa durch „steuerliche Anreize oder den Ausbau von Betreuungsangeboten für Kinder“.
Reiche will „flexibleren Kündigungsschutz“
Ferner möchte sie die Frühverrentung reduzieren: „Es kann nicht sein, dass Unternehmen, die einerseits beklagen, keinen Nachwuchs zu haben, im gleichen Zuge gut qualifizierte Arbeitnehmer ab 61 in Altersteilzeit schicken.“
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Zugleich forderte die Ministerin, den Kündigungsschutz zu lockern. „Wir brauchen einen flexibleren Kündigungsschutz, der die Schwachen schützt, es den Unternehmen aber vor allem im Hochlohnbereich ermöglicht, schneller Personal abzubauen, wenn sie müssen. Das hilft Unternehmen, sich zügiger an neue Marktsituationen anzupassen und zu restrukturieren“, sagte Reiche.
Einschränkungen beim Kündigungsschutz oder eine pauschale Anhebung des Renteneintrittsalters oder der Wochenarbeitszeit stammen aus der Mottenkiste der marktradikalen Sozialabbauvorschläge, die mit der SPD nicht zu machen sind.
Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordneter
Reiches Vorstoß stößt auf Widerspruch beim Koalitionspartner SPD. „Einschränkungen beim Kündigungsschutz oder eine pauschale Anhebung des Renteneintrittsalters oder der Wochenarbeitszeit stammen aus der Mottenkiste der marktradikalen Sozialabbauvorschläge, die mit der SPD nicht zu machen sind“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner dem Tagesspiegel. „Sie würden nämlich diejenigen belasten, die für unseren Wohlstand schuften und oftmals weit weniger dafür bekommen, als sie verdient haben.“
Gerade die Regierungsmitglieder sollten den Koalitionsvertrag entschlossen und konsequent umsetzen, sagte Stegner, „statt Forderungen aufzustellen, die für den Koalitionspartner völlig indiskutabel sind.“ Der Ex-SPD-Vize forderte Reiche auf, „eher nach einem höheren Beitrag derer mit den höchsten Einkommen und Vermögen Ausschau zu halten“.
Stegner empfahl: „Also, liebe Frau Reiche, vielleicht sollte Ihr Vorsatz für das neue Jahr sein, statt von (nicht vorhandenen) anderen parlamentarischen Mehrheiten zu träumen, in der Koalition anständige Arbeit abzuliefern, sonst profitieren einmal mehr die rechten Demokratiefeinde.“
Wir müssen mehr als bisher jedes einzelne Vorhaben auf die Frage überprüfen: Dient es dem Wachstum oder nicht? Das muss der Maßstab für unsere Gesetzgebung sein.
Jens Spahn (CDU), Unionsfraktionschef
Der Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) erklärte mehr Wachstum zur „Schicksalsfrage dieses Landes“ und will jedes neue Koalitionsvorhaben daran messen. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „2026 muss ein Jahr des Wachstums werden und nicht ein Jahr neuer Schulden.“ Damit wachse auch wieder die Zuversicht der Bürger. Dazu gehöre die Senkung oder zumindest Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge, damit sich die Personalkosten der Unternehmen nicht verteuerten.
„Wir müssen mehr als bisher jedes einzelne Vorhaben auf die Frage überprüfen: Dient es dem Wachstum oder nicht? Das muss der Maßstab für unsere Gesetzgebung sein“, sagte Spahn.
Hoher Anteil an Teilzeitbeschäftigten
Nach drei Jahren Konjunkturflaute sagt die Bundesbank für 2026 ein Wachstum von 0,6 Prozent voraus. Die Prognose ist allerdings etwas pessimistischer als im Juni, als sie beim realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch 0,7 Prozent Plus prognostiziert hatte.
Mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34,3 Stunden lag Deutschland laut Statistischem Bundesamt 2024 unter dem europäischen Durchschnitt (36,8 Stunden). Vollzeiterwerbstätige arbeiteten durchschnittlich 40,2 Stunden pro Woche, Teilzeiterwerbstätige 20,9.
Die Arbeitszeit insgesamt wird dabei vom steigenden Anteil Teilzeiterwerbstätiger beeinflusst: Dieser wuchs bis 2024 auf knapp ein Drittel (1991: 14,1 Prozent, 2024: 30,8 Prozent). (dfs/dpa)
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