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Politik: Misstrauen an der Basis

Der Kanzler will Öffnungsklauseln für Tarifverträge – schreckt er vor den Bedenkenträgern zurück?

Von Hans Monath

VOR DER SCHRÖDER-REDE

Von Markus Feldenkirchen

und Hans Monath

Es war ein riskantes Vorhaben: Nachdem der Kanzler in Gesprächen mit dem Koalitionspartner die Idee ventiliert hatte, nicht nur an die Tarifparteien zu appellieren, sondern anzukündigen, Öffnungsklauseln für die Tarifverträge notfalls auch per Gesetz zu schaffen, hatte er in den eigenen Reihen hart zu kämpfen. Im Kern geht es Gerhard Schröder darum, die vielen existierenden betrieblichen Bündnisse aus der gesetzlichen Grauzone herauszuholen und die Tarifvertragsparteien dazu zu drängen, selbst Regeln für Betriebsbündnisse zu vereinbaren. Und dies, ohne den Flächentarifvertrag auszuhöhlen. Schröder will sich nicht mehr auf Mahnungen beschränken. Wie nach dem gescheiterten Bündnis für Arbeit pauschal angekündigt, will er auch beim konkreten Beispiel Flächentarifvertrag im Notfall die Konsenssuche aufgeben und selbst aktiv werden.

Doch auch die Gewerkschaftsfreunde in der SPD bekamen Wind und machten intern Front gegen die Idee. Nicht nur Juso-Chef Niels Annen, der einen „Aufschrei“ in der Partei androhte. Linke und gewerkschaftsnahe SPD-Politiker klagen, dass der Kanzler einen bislang gültigen Parteikonsens aufgibt, wonach der Flächentarifvertrag nicht aufgeweicht werden dürfe. Aber genau dazu scheint Schröder nun – notfalls – bereit. Das Angebot an die Tarifpartner, zunächst selbst eine Regelung zu finden, sei nur ein scheinbares, weil diese sich nicht darauf einlassen wollten, hieß aus der SPD. Und das in einer Situation, da die meisten angekündigten Reformen ohnehin alles andere als sozialdemokratisch daherkämen. „Die Bauchschmerzen hier nehmen von Tag zu Tag zu“, klagt jemand aus dem Willy-Brandt-Haus.

Auf wen der Kanzler bei den Redevorbereitungen hören würde, entschied sich erst im letzten Moment. Die Grünen hatten in den Gesprächen keine Berührungsängste mit gesetzlichen Öffnungsklauseln für Flächentarifverträge gezeigt. Doch der kleine Koalitionspartner hätte auch verstanden, wenn Schröder auf eine Kampfansage verzichtet hätte: „Wir wissen genau, was das für die SPD bedeutet, wenn sie schon mit dem Kündigungsschutz solche Probleme hat“, heißt es. Entgegen ihrer früheren Praxis verzichtete die Grünen-Führung in jüngster Zeit auf öffentliche Reform-Forderungen an den Partner. Die Wirkung von Schröders Worten solle nicht durch Einzelkritik im Vorfeld geschmälert werden, heißt es. Auch weisen Grünen-Politiker darauf hin, dass Schröder mittlerweile auch Positionen vertrete, mit denen die Grünen in den Koalitionsverhandlungen an der SPD gescheitert seien – etwa die Forderung nach Senkung der Lohnnebenkosten.

An der Basis der Partei aber ist das Misstrauen gegen eine zu liberale Wirtschafts- und Sozialpolitik der Fraktionsspitze verbreitet. Schon wird aus einigen Kreisverbänden der Ruf nach einem Sonderparteitag laut.

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