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Politik: Monster oder williger Vollstrecker

Der Reservist Charles Graner muss sich wegen Folter in Abu Ghraib vor einem US-Gericht verantworten

Ein Angeklagter sollte vorsichtig mit seinen Scherzen sein. „Wir werden herausfinden, was für ein Monster ich heute bin“, witzelte Charles Graner, bevor er am Montagmorgen den Gerichtssaal auf dem US-Stützpunkt Fort Hood in Texas betrat. Der 36-jährige Graner, ein Reservist und ehemaliger Gefängniswärter, soll Rädelsführer der Folterer von Abu Ghraib gewesen sein. Die Anklage wirft ihm Körperverletzung sowie physische, psychische und sexuelle Misshandlungen vor. Außerdem steht er im Verdacht, einen irakischen Gefangenen totgeschlagen zu haben. Zuvor soll er diesen gezwungen haben, Oralsex zu simulieren. Was für ein Monster also ist dieser Mann? Oder war er ein williger Vollstrecker, der auf Geheiß seiner Vorgesetzten die Gefangenen gefügig machen wollte? Zwischen diesen Polen bewegt sich der Militärprozess. Es ist der erste zu dem Folterskandal, der in den USA stattfindet. Insgesamt sieben Soldaten müssen sich verantworten. Drei wurden bereits von einem US-Militärgericht in Bagdad zu Haftstrafen zwischen acht Monaten und acht Jahren verurteilt. Sollte Graner schuldig gesprochen werden, drohen ihm mehr als 17 Jahre Haft.

Graners Anwalt Guy Womack stellt seinen Mandanten als pflichtbewussten Soldaten dar, der nur die Befehle seiner Vorgesetzten ausführte. Offiziere der Armee und CIA-Agenten hätten Graner angestachelt. Die Inhaftierten hätten für die Verhöre „aufgeweicht“ werden sollen. Diese Version bestätigte der Zeuge Ivan Frederick, der in Abu Ghraib Graners Vorgesetzter war und selbst wegen der Folterungen vor Gericht stand.

Die Anklage kontert mit dem Argument, selbst wenn es Befehle zu Folterungen gegeben hätte, hätte Graner diese nicht befolgen dürfen. Denn solche Befehle seien eindeutig ungesetzlich. Um das zu beweisen, muss Graner als besonders grausamer Mensch präsentiert werden, der aus eigenem Antrieb gehandelt hat. Ein ehemaliger Gefangener bestätigte am Dienstag diese These. Graner sei nach seinem Eindruck der Haupttäter gewesen und habe offensichtlich Spaß daran gehabt, Gefangenen Schmerzen zuzufügen, sagte Amin al Scheich. Die Aussage des Syrers war im Irak auf Video aufgenommen worden. Graner habe ihn mit einem Metallstock auf seine durch Schusswunden verletzten Beine geschlagen, erklärte er.

In mehr als 2000 E-Mail-Botschaften soll sich Graner mit seinen Missetaten gebrüstet haben. Die Behauptung, seine Handlungen seien „offenkundig illegal“ gewesen, versucht die Verteidigung mit ihrer zweiten Strategie zu widerlegen. Dazu gehört, die inkriminierten Taten zu bagatellisieren. Es sei an sich noch keine Folter, sagte Anwalt Womack, Menschen auszuziehen, Pyramiden bilden zu lassen oder sie wie Hunde an der Leine zu halten. Auch Cheerleader würden Pyramiden bilden. Und einige Eltern würden ihre Kinder an die Leine legen. Was als Vergleich absurd, ja pervers klingt, soll die Geschworenen davon überzeugen, dass Graner die Gefangenen nur „technisch unter Kontrolle“ habe bringen wollen.

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