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Letzte Worte für daria. Alexander Dugin bei der Abschiedszeremonie für seine ermordete Tochter am 23. August in Moskau.

© dpa

Fakten und Inszenierung: Mord als Mittel der Mächtigen

Welche Rolle Moskau bei dem Attentat auf Darja Dugana spielt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Herold

Für den russischen Geheimdienst FSB ist das Attentat auf die russische Rechtsextremistin Darja Dugina aufgeklärt. Täterin ist eine ukrainische Geheimagentin. Was der FSB an Beweisen für diese „Theorie“ vorgelegt hat, lässt sich kaum so nennen. Ebenso fehlen auch Beweise für die Annahme, dass der FSB selbst diesen Anschlag „unter falscher Flagge“ selbst inszeniert haben könnte. Doch weist vieles darauf hin.

Das erste Indiz ist das Tempo, mit der die russischen Behörde die Aufklärung öffentlich machte. Es wirkt, als hätten der FSB sie lückenlos vorbereitet. Zum Vergleich: Der Mord an der kremlkritischen Journalisten Anna Politkowskaja ist auch 16 Jahre nach der Tat nicht aufgeklärt. Und an dem Tatort damals (es war ihr Haus) hingen überall Überwachungskameras.

Einem Verdacht gegen den FSB im Mordfall Dugina könnte man entgegenhalten: Ihre rechtsextremistischen Einlassungen lagen voll auf der Linie des Kremls. Wie die ihres Vaters. Warum sollte die Staatsmacht ihre eigenen Leute umbringen? Antwort: Weil sie es schon öfter getan hat, wenn es ihr nötig erschien.

Anschläge als Vorwand

Sie tat das womöglich schon, bevor Wladimir Putin Ende 1999 an die Macht kam. Im Herbst 1999 starben bei Sprengstoffanschlägen auf Wohnhäuser in mehreren Städten 400 Menschen. Offiziell sollen die Täter tschetschenische Kämpfer gewesen sein, doch der Verdacht richtet sich bis heute gegen den FSB. Putin verschafften die Anschläge den Vorwand für den zweiten Tschetschenienkrieg, in dem er sich als starker Mann profilierte.

Ihr zutiefst zynisches und menschenverachtendes Kalkül zeigten Putin und seine Mannschaft auch bei den Geiselnahmen im Moskauer Dubrowka-Theater 2002 und in der Schule in Beslan im Kaukasus 2004. In beiden Fällen gingen die Sicherheitskräfte ohne jede Rücksicht vor: Schutz der Geiseln war nicht das Ziel, entscheidend war die Machtdemonstration der Sicherheitskräfte. Mehrere hundert Menschen starben, in Beslan auch viele Kinder.

Mord gehörte von Beginn an zum Wesenskern des Systems Putin, das ließe sich an weiteren Beispielen zeigen. Am 24. Februar, mit der Aggression gegen die Ukraine, ist daraus Massenmord geworden. Die Opfer sind vor allem ukrainische Bürgerinnen und Bürger, aber letztlich auch die „eigenen Leute“, die der Kreml in dem Krieg verheizt.

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Wie immer lohnt es sich, die Frage zu stellen: Wem nützt der Tod der Darja Dugina? Der Ukraine erkennbar nicht, dem Kreml offensichtlich. Mit ihm lässt sich die perfide Umkehrung von Täter und Opfer erneuern, mit der Putin den Krieg gegen das Nachbarland rechtfertigt. Der russischen Bevölkerung suggeriert der Anschlag erneut: Es ist Russland, das angegriffen wird. Russland, das sich verteidigen muss.

Vater Dugin fand auf der Trauerfeier für seine Tochter Worte, die wie vom Kreml aufgeschrieben wirkten. Die 29-Jährige sei an der Front gestorben, sagte er. Diese Front, so Dugin, sei jetzt in jedem Russen. Das Opfer, das seine Tochter gebracht habe, könne nur durch einen russischen Sieg gesühnt werden. Wladimir Putin hat Dugina postum bereits mit dem Orden „Für Heldenmut“ ausgezeichnet.

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