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Gutes Ergebnis, und doch unzufrieden. Oppositionskandidat Alexej Nawalny sieht sich um eine Stichwahl betrogen.

© AFP

Bürgermeisterwahlen in Russland: Moskau bleibt Putin treu, doch Jekaterinburg wartet mit einer Sensation auf

Während die Opposition in Moskau die Wiederwahl von Oberbürgermeister Sobjanin als Wahlbetrug anprangert, hat sie in Jekaterinburg Grund zur Freude. In der Stadt am Ural zeichnet sich ein Sieg der Opposition ab. Eine kleine Sensation mit Potenzial zur Revolution oder bloß ein Achtungserfolg?

Weniger als anderthalb Prozent retteten Moskaus Oberbürgermeister Sergej Sobjanin bei der Wahl am Sonntag vor einer Schmach. Gerade einmal 51,15 Prozent der Stimmen erreichte er. Von Kandidaten des Kremls – und das war Sobjanin, obwohl er formal als Unabhängiger ins Rennen ging – werden eigentlich sattere Mehrheiten erwartet. So hatten ihn Umfragen unmittelbar vor der Abstimmung auch noch weit mehr als 60 Prozent bescheinigt. Kremlkritiker Alexej Nawalny, dem Meinungsforscher maximal fünfzehn Prozent zugetraut hatten, sammelte dagegen fast das Doppelte ein: mehr als 27 Prozent. Der Oppositionsführer sprach dann auch umgehend von Wahlbetrug und forderte eine zweite Wahlrunde. Diese wäre erforderlich, wenn keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen erringt.

Nach den Daten, die sein Wahlkampfteam gesammelt habe, komme Sobjanin auf weniger als 50 Prozent der Stimmen, sagte Nawalny. Er selbst habe rund 35 Prozent auf sich vereint. „Die offiziellen Wahlergebnisse sind vorsätzlich gefälscht worden“, sagte der 37-Jährige, der im Juli wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde und bis zum Berufungsverfahren auf freiem Fuß ist. Doch selbst die 27 Prozent sind für die liberale Opposition das mit Abstand beste Ergebnis in der Ära Putin. Eine der Hauptursachen dafür ist aus Sicht von Beobachtern der faire Wahlkampf. Schließlich hatte Sobjanin, der 2010 vom Kreml ernannt wurde, die Chancengleichheit für alle Bewerber zur höchsten Priorität erklärt. Er wollte sich durch Wahlen nicht nur selbst demokratisch legitimieren, sondern auch Putin vom Verdacht reinwaschen, den Wählerwillen notorisch zu fälschen.

Selbst hatte sich Sobjanin allerdings vor allem auf die freundliche Berichterstattung linientreuer Medien verlassen und darauf, dass sich seine disziplinierten Wähler auch bei miesem Wetter zum Gang ins Wahllokal aufraffen. Die Rechnung ging nicht auf. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 30 Prozent. Sobjanin wertete das Resultat dennoch als eine Absage der Moskauer an einen möglichen Machtwechsel. „Wenn versucht wird, die Stadt zu einem politischen Schlachtfeld für eine Revolution zu machen, dann brauchen das die Moskauer absolut nicht“, sagte er.

Nawalny dagegen hatte wie schon bei den Massenprotesten nach den manipulierten Parlamentswahlen Ende 2011 seine Klientel über soziale Netzwerke mobilisiert und daher auch die politikverdrossene Fun-Generation erreicht, die Wahlen stets boykottierte. Vor allem sie unterstützen auch Nawalnys Forderung nach einer Neuauszählung der Stimmen. Zu einer von der Stadtregierung genehmigten Kundgebung im Zentrum von Moskau kamen am Montagabend mindestens 9000 Menschen. Denn in der Regel weichen Nachwahl-Befragungen von Wählern unmittelbar nach der Stimmabgabe um höchstens vier Prozent vom tatsächlichen Ergebnis ab. Bei Befragungen von Nawalnys Stab aber kam dieser auf mehr als 35, Sobjanin dagegen nur auf 46 Prozent.

Auch die unabhängige Wahlbeobachterorganisation Golos bezweifelte, dass Sobjanin die nötigen 50 Prozent im ersten Wahlgang tatsächlich erreicht hat. Andere auf Wahlmonitoring spezialisierte nicht staatliche Organisationen indes lobten die Wahlen als die fairsten der jüngsten Geschichte und erklärten dies vor allem damit, dass von ihnen geschulte Beobachter flächendeckend präsent waren.

Denn gleichzeitig mit der Wahl in Moskau fanden am Sonntag auch in mehr als 7000 Regionen und Städten Wahlen statt. Die meisten gewannen Vertreter der regierenden Partei „Einiges Russland“. In der Millionenstadt Jekatarinburg am Ural zeichnete sich hingegen eine kleine Sensation ab: Dort könnte ein Regimekritiker neuer Oberbürgermeister werden. Jewgeni Roisman, der mit Mandat der Mitte-links-Partei „Gerechtes Russland“ in der Duma saß und dann zu den Führern der Protestbewegung gehörte, lag knapp vor dem Kreml-Kandidaten. Gewählt wurde er allerdings wegen seiner rigiden Therapie von Drogensüchtigen.

Und in Jaroslawl zog die neoliberale Partei der Volksfreiheit ins Regionalparlament ein. In ihr haben Leute das Sagen, die einst hohe Ämter bekleideten, sich dann jedoch mit Putin überwarfen: Ex-Premier Michail Kasjanow etwa oder Ex-Vizepremier Boris Nemzow. Dieser wird wahrscheinlich auch Fraktionschef in Jaroslawl. Mehr als Achtungserfolge sind das jedoch bisher nicht.

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