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Politik: Moskau macht Al Gore den Wahlkampf schwer - dem US-Vizepräsidenten sind seine engen Russlandkontakte nun peinlich

Al Gore war bislang stolz auf seine Moskau-Connection. Jetzt droht sie dem US-Vizepräsidenten eher peinlich zu werden.

Al Gore war bislang stolz auf seine Moskau-Connection. Jetzt droht sie dem US-Vizepräsidenten eher peinlich zu werden. In der letzten Woche enthüllte die "New York Times", dass die Bank of New York im Verdacht steht, Gelder aus dunklen russischen Quellen reingewaschen zu haben. Es könne sich um zehn Milliarden Dollar oder mehr handeln, heißt es, möglicherweise um umgeleitete Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF). Eine Anklage wurde bisher nicht erhoben. Die Bank hat lediglich zwei leitende Angestellte - zwei Frauen - einstweilen in Urlaub geschickt. Viel weiß man nicht, aber es wird heftig spekuliert.

Die US-Regierung beteuert, von den polizeilichen Ermittlungen gegen die Bank vor dem Bericht der Times nichts gewusst zu haben. Doch republikanische Oppositionspolitiker im Kongress stürzten sich auf die Berichte wie Hunde auf eine Blutwurst: Führende Politiker der Partei fordern seit Langem, Russland keine Kredite mehr zu gewähren. Einige betreiben gar die Auflösung des IWF und der Weltbank.

Republikaner sind naturgemäß erfreut darüber, dass der Skandal einen Schatten auf den US-Vizepräsidenten wirft. Al Gore hat seit 1993 intensive Kontakte zu den wechselnden russischen Regierungen gepflegt, insbesondere zum langjährigen Ministerpräsidenten Viktor Tschernomyrdin. Sollten sich Korruptionsvorwürfe gegen Tschernomyrdin und andere hochrangige Politiker im Umfeld des russischen Präsidenten Jelzin bestätigen, könnte jedes Foto, das Gore im Händedruck mit einem Russen zeigt, Wahlkampfmunition für seine Gegner werden. Gore will im nächsten Jahr als Kandidat der Demokratischen Partei ins Weiße Haus einziehen.

Russland schuldet dem IWF derzeit 16,9 Milliarden Dollar. Der - inzwischen abgelöste - russische Ministerpräsident Stepaschin hat sich Ende Juli in Washington um die Freigabe weiterer 4,5 Milliarden Dollar bemüht. Eine Ratenzahlung in Höhe von 640 Millionen Dollar ist für Ende September in Aussicht gestellt - vorbehaltlich eines Berichts über den Umgang Moskaus mit den bisher gewährten Krediten. Leon Fuerth, Gores außenpolitischer Berater, betont jetzt, Gore habe Stepaschin gedrängt, die ordnungsgemäße Verwendung der IWF-Kredite nachzuweisen. Zum Zeitpunkt der Gespräche Gores mit Stepaschin war davon nicht die Rede. FBI-Angaben zufolge sind allein seit dem Sommer letzten Jahres mehrere Milliarden Dollar unbekannter Herkunft von Moskau aus auf Konten der Bank of New York und anderer New Yorker Banken deponiert worden.

Woher stammte das Geld, wenn nicht vom IWF? Es könnte sich um Profite aus kriminellen Geschäften handeln, vermuten amerikanische Ermittler, oder auch um Bestechungsgelder zugunsten russischer Politiker. Ein Teil des Geldes könnte aus einem Konto abgeleitet worden sein, auf dem die Regierung Jelzin Erlöse aus dem Verkauf amerikanischer Weizenlieferungen deponiert, berichtete die "USA Today" unter Berufung auf einen "hohen US-Ermittler". "Je tiefer wir graben, desto mehr finden wir", zitiert die Zeitung den Beamten. Und: Alles deute auf ein "hohes Niveau der Komplizenschaft" innerhalb der Regierung Jelzin hin.

In Moskau wird Jelzin selbst beschuldigt. In den USA aber warnen Mitarbeiter der US-Regierung, dass Veröffentlichungen derartiger Vorwürfe zum Wahlkampf nach russischer Art gehörten. Es gehöre zum Spiel, seinen politischen Gegner mit "Kompromat" zu bewerfen; mit kompromitierendem Material. Amerikaner kennen dieses Spiel nur allzu gut. Auch wenn "Kompromat" selten aus Bestechungsvorwürfen besteht; dass Poltiker gut leben, gilt als selbstverständlich. Als Munition beliebter sind Vorwürfe, Politiker hätten Verhältnisse mit Praktikantinnen oder in ihrer Jugend Rauschgift genommen.

Uwe Knüpfer

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