Politik: Moskau riegelt Tschetschenien ab und droht mit Einsatz von Bodentruppen
Ungeachtet der Erfahrungen aus dem blutigen Tschetschenien-Krieg von 1994 bis 1996 hat Russland der nach Unabhängigkeit strebenden Kaukasus-Republik mit einer erneuten militärischen Konfrontation gedroht. Verteidigungsminister Igor Sergejew sagte am Sonntag, die Armee habe mehrere Versionen für einen Einmarsch in Tschetschenien ausgearbeitet.
Ungeachtet der Erfahrungen aus dem blutigen Tschetschenien-Krieg von 1994 bis 1996 hat Russland der nach Unabhängigkeit strebenden Kaukasus-Republik mit einer erneuten militärischen Konfrontation gedroht. Verteidigungsminister Igor Sergejew sagte am Sonntag, die Armee habe mehrere Versionen für einen Einmarsch in Tschetschenien ausgearbeitet. "Sie werden je nach Lage umgesetzt", fügte er hinzu.
Angesichts der Massenflucht aus Tschetschenien schloss Moskau am späten Sonnabendabend die Grenze zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Kurz zuvor waren bereits die Grenzen zu Dagestan und zur Region Stawropol dicht gemacht worden. Damit ist Tschetschenien abgeriegelt.
Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass zitierte Sergejew mit den Worten, Hauptziel aller geplanten Militäroperationen sei die Vernichtung der "Banditen". Damit sind nach russischer Sprachregelung die moslemischen Rebellen gemeint, die mehrfach in die Kaukasusrepublik Dagestan eindrangen, um dort einen Gottesstaat zu errichten. Ministerpräsident Wladimir Putin hatte in den vergangenen Tagen stets eine geplante großangelegte Militäroperation in Tschetschenien dementiert. Denkbar seien aber Kommandoaktionen, hatte er am Freitagabend erklärt. Moskau werde möglicherweise "Sondereinheiten" nach Tschetschenien schicken.
Schwerpunkt der russischen Luftangriffe war weiterhin die technische Infrastruktur der Region mit dem Zentrum Grosny. Durch die Zerstörung des Sendemasts zur Übertragung von Mobilfunk-Gesprächen war es Journalisten kaum mehr möglich, unabhängige Informationen einzuholen. Auch Ölraffinerien und Öl-Lager wurden mehrfach bombardiert. Am frühen Sonntagmorgen wurde erneut Grosny attackiert, allerdings war zunächst nicht bekannt, welche Ziele beschossen wurden. Laut Interfax flogen ständig zwei Staffeln Kampfflugzeuge über die Stadt hinweg.
Nach tschetschenischen Angaben wurden durch die Luftangriffe am Sonnaben 15 Menschen getötet und 25 verletzt. Seit Beginn der russischen Attacken auf tschetschenisches Gebiet seien damit 41 Menschen getötet worden. Luftwaffengeneral Anatoli Kornukow sagte laut Itar-Tass, die Angriffe würden fortgesetzt, "solange es unsere Aufgabe ist, die Rebellen, ihre Basen und ihre Logistik zu zerstören."
Aus Angst vor einer Ausweitung der Kampfhandlungen machten sich Zehntausende Einwohner aus Grosny und anderen Städten auf den Weg ins benachbarte Inguschetien. Vor dem Grenzübergang nach Inguschetien staute sich am Sonntag eine 15 Kilometer lange Fahrzeugkolonne. Rund 20 000 Flüchtlinge sind schon in Inguschetien eingetroffen, wie der Interims-Regierungschef Achmed Malsagow mitteilte. Er warnte vor einer humanitären Katastrophe, da sein Land die Flüchtinge nicht mit Nahrungsmitteln und Zelten versorgen könne. Vor allem Alte, Frauen und Kinder waren aus Tschetschenien geflohen.
Der tschetschenische Präsident Aslan Maschadow erneuerte seine Bereitschaft zu einem Dialog mit Russlands Präsident Jelzin. "Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass ich ihm klar machen könnte, wie er von seinen sogenannten Beratern erneut hinters Licht geführt wird," sagte Maschadow dem Magazin "Der Spiegel". Er erklärte sich zudem damit einverstanden, Inspekteure der UN ins Land zu lassen, die überprüfen sollten, ob sich noch "Terroristen" in dem Lande versteckten. Tschetschenien hatte in einem blutigen Krieg Mitte der achtziger Jahre de facto seine Unabhängigkeit erreicht.