
Ägypten: Mubaraks Anhänger schlagen zurück
Bei Straßenschlachten in Kairo gibt es mehrere Tote und über tausend Verletzte. Auch Polizisten in Zivil gehen gegen die Demonstranten vor. Unterdessen fordern die Muslimbrüder den sofortigem Amtsverzicht des Präsidenten.
Der Machtkampf in Ägypten eskaliert. Einen Tag nach dem Millionen-Menschen- Marsch gingen Anhänger des Regimes von Hosni Mubarak am Mittwoch mit Messern, Knüppeln und Steinen auf die friedlichen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo los. Nach einem Bericht des Senders Al Dschasira vom späten Abend gab es etwa 1500 Verletzte, drei Menschen starben, darunter ein Soldat. Stundenlang waren in der Innenstadt Schüsse zu hören. Gewalttäter warfen von Hausdächern Steine auf die Menschen. Andere versuchten, mit Molotow-Cocktails das Ägyptische Museum in Brand zu stecken. Viele der Schläger waren nach Angaben des Komitees der Protestbewegung Polizisten in Zivil.
Der Großteil der Pro-Mubarak-Demonstranten hatte sich am Vormittag in Mohandessin versammelt und war mit Parolen wie „Ja zu Mubarak, er sorgt für Stabilität“ und „Ja zu dem Präsidenten des Friedens“ in Richtung Stadtzentrum gezogen. In allen Seitenstraßen gab es stundenlange Schlägereien. Tausende Menschen versuchten, sich in Panik in Sicherheit zu bringen. Friedensnobelpreisträger Mohamed el Baradei verurteilte den Sturm auf den Tahrir-Platz.
Das Vorgehen der Mubarak-Anhänger sei „ein weiteres Anzeichen, dass sich ein kriminelles Regime krimineller Methoden bedient“, sagte er der BBC. „Ich habe Sorge, dass es in einem Blutbad endet.“ Die Opposition bekräftigte, am Freitag erneut gegen Mubarak zu demonstrieren. Sie rief zu einem Sternmarsch auf Kairo auf. Vizepräsident Omar Suleiman bezeichnete ein Ende der regierungskritischen Demonstrationen als Vorbedingung für einen Dialog mit der Opposition. Sie müsse dem Aufruf der Armee Folge leisten, die Ausgangssperre zu achten und nach Hause zu gehen. Am späten Mittwochabend harrten dennoch tausende Regimegegner auf dem Tahrir-Platz aus. Die Soldaten, um deren Panzer herum sich die Schlägereien abspielten, hatten dem Treiben der Schläger zuvor tatenlos zugesehen. Wenige Stunden vor dem Massenüberfall hatte die Armee die Demonstranten über die Lautsprecheranlage des Tahrir-Platzes eindringlich vor Gewalt und Blutvergießen gewarnt.
Die Schläger waren anscheinend auch angewiesen, sich ausländische Journalisten vorzuknöpfen, die sie beschuldigen, mit ihren Berichten den Aufstand gegen das Regime angestachelt zu haben. ARD und ZDF mussten ihre Büros im Fernsehgebäude räumen und in ein nahe gelegenes Hotel flüchten. Ein Reporter von CNN wurde verprügelt, ein Journalist des Sender Al Arabiyya durch einen Messerstich verletzt. Der Reporter der belgischen Tageszeitung „Le Soir“ wurde von Zivilpolizisten geschlagen und in eine Kaserne am Stadtrand verschleppt. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte dem Tagesspiegel: „Wir sind sehr besorgt über diese Meldungen, Gewalt gegen Pressevertreter ist unter keinen Umständen akzeptabel.“ Das Amt werde dies „in angemessener Form“ beim ägyptischen Außenministerium vortragen.
Am Dienstag hatte es Mubarak in seiner zweiten Fernsehrede seit Beginn der Unruhen abgelehnt, vorzeitig zurückzutreten. Er kündigte allerdings an, er werde im September nicht mehr als Präsident kandidieren und die Verfassung ändern lassen, so dass auch unabhängige Bewerber antreten können. Gleichzeitig versprach er Reformen. Der Sprecher der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, sagte, die Zugeständnisse Mubaraks kämen zu spät. Er forderte einen sofortigen Amtsverzicht.
US-Präsident Barack Obama übte unverhohlen Kritik an dem Zeitplan Mubaraks. Die Machtübergabe in Kairo müsse sofort beginnen und sie müsse friedlich ablaufen, sagt er. Die Europäische Union forderte Mubarak auf, „so schnell wie möglich“ freie Wahlen auszuschreiben. Außenminister Guido Westerwelle telefonierte mit el Baradei und ließ sich die Lage schildern.
In Berliner Regierungskreisen hieß es, es gebe auch Gespräche mit gemäßigten Kräften in der Muslimbruderschaft. Zudem sprach Westerwelle mit Vizepräsident Suleiman. Er habe Suleiman erklärt, dass weitere Übergriffe auf friedliche Demonstranten nicht nur „ein Rückfall in längst überwundene Zeiten“ seien, sondern auch „Konsequenzen der internationalen Gemeinschaft“ nach sich ziehen würden. (mit mue/dpa/rtr/AFP)