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Update

Demut und Wehmut: Murdochs Auftritt vor dem britischen Parlament

Zum ersten Mal in 40 Jahren als dominierender Medienunternehmer Großbritanniens musste sich Rupert Murdoch von britischen Parlamentariern befragen lassen. Was ist dabei herausgekommen?

Es war bisher der dramatischste Vorgang in der Krise um journalistische Skandalmethoden und die Verquickung von Politik und Medien in Großbritannien. Zum ersten Mal in seinen 40 Jahren als dominierender Medienunternehmer des Landes musste sich am Dienstag Rupert Murdoch von britischen Parlamentariern befragen lassen. Auch sein Sohn James sowie die enge Vertraute und Topmanagerin im Murdoch-Unternehmen Rebekah Brooks mussten sich dem Medienausschuss des Unterhauses stellen. Die Anhörung musste am frühen Abend kurz unterbrochen werden, als ein Mann versuchte, Rupert Murdoch mit weißer Farbe zu bewerfen. Premierminister David Cameron weilte währenddessen noch in Nigeria – machtlos gegen den Sturm, der sich in London zusammenbraute. Am Abend flog er zurück, um am heutigen Mittwoch an der Sondersitzung im Unterhaus teilzunehmen – seine letzte Chance, noch vor der Sommerpause Distanz zwischen sich und den Skandal zu legen.

Wie haben sich die Murdochs bei der Anhörung geschlagen?

.Kaum hatte die Anhörung mit der Aussage seines Sohnes James begonnen, unterbrach ihn Vater Rupert und sagte: „Dies ist der Tag der größten Demut in meinem Leben.“ Der Sohn, gut vorbereitet und geschmeidig, unterbrach dann seinerseits den Vorsitzenden John Whittingdale, um seine eigene Entschuldigung anzubringen – eine von vielen: „Lassen sie mich den Opfern des illegalen Telefon-Hacking sagen, wie leid es mir tut und wie leid es uns tut. Der alte Murdoch war immer dann, wenn es schwierig wurde, einsilbig, vergesslich oder schwerhörig. „Können Sie das wiederholen?“ – „Das weiß ich nicht.“ – „Vielleicht ist das eine Frage für meinen Sohn.“ Doch es sollte noch schlimmer kommen. Nach zwei Stunden Anhörung sprang ein junger Mann im Sporthemd nach vorn und versuchte, dem alten Murdoch etwas über den Kopf zu gießen. Murdochs Ehefrau Wendy gab ihm einen kräftigen Schlag und die Sitzung wurde unterbrochen.

Was wollten die Parlamentarier konkret von den Medienunternehmern wissen?
„Warum sind sie durch den Hintereingang in die Downing Street gegangen“, fragte ein Abgeordneter Rupert Murdoch. „Weil man mich gebeten hat“, antwortete Murdoch. Auch unter Premier Gordon Brown sei er immer durch die Hintertür gekommen. Warum er die „News of the World“ geschlossen habe, wurde er gefragt. „Weil wir das Vertrauen unserer Leser gebrochen haben“, so Murdoch. Von den außergerichtlichen Entschädigungszahlungen der britischen Zeitungsgruppe an zwei Opfer der Lauschangriffe habe er nichts gewusst, sagte Murdoch. „Es war unter der Schwelle, die wir als Regionalunternehmen an die Zentrale News Corp melden mussten“, bestätigte James, der als Aufsichtsratsvorsitzender für Murdochs britische Medienunternehmen verantwortlich ist. Abgeordnete wollten herausfinden, ob diese Entschädigungszahlungen vielleicht Schweigegelder und Teil eines Vertuschungsunternehmens waren. „Wurde eine Rechnung für die Gelder ausgestellt?“ Da musste James passen. Rupert Murdoch bestritt generell jede Kenntnis des Fehlverhaltens von Mitarbeitern. Er sei hinters Licht geführt worden, sagte der 80-Jährige. “

Was stand für die Murdochs auf dem Spiel?

.Sehr viel, vielleicht alles. Es ging nicht nur um ihr Renommee als Zeitungsunternehmer, sondern auch um die Zukunft ihrer Zeitungen und die Frage, wie viel Kontrolle sie über ihr Medienreich behalten können und dürfen. Für James, den jüngeren, droht nicht nur das Ende seiner Managerkarriere in dem Murdoch-Unternehmen News Corporation. Als Vorstandsvorsitzender bei News International, also oberster Verantwortlicher der britischen Murdoch-Zeitungen, muss er sogar fürchten, von der Polizei verhaftet zu werden, sollte er sich bei seinen Aussagen irgendwie belastet haben. Wegen der großen Bedeutung dieser Anhörung hatten die Murdochs mit Medienberatern und Rechtsanwälten seit Tagen ihren Auftritt geübt.
Für Rupert Murdoch war die Anhörung von einem düsteren Omen begleitet. Erst berichtete das „Wall Street Journal“, sozusagen die Hauspostille der Murdochs, der Alte trage sich mit Rückzugsgedanken. Das spricht dafür, dass die Nachfolgediskussion nun schon über seinen Kopf hinweg geführt wird. Früher hatte Murdoch immer gesagt, man müsse ihn im Sarg aus dem Büro tragen. Dann wurde er von Hackern im Internet schon fast beerdigt. Die Hackergruppe „Lulz Security“ hatte die Website der „Sun“ geknackt und eine Seite unter dem Logo der „Sun“ verlinkt. Der „kontroverse Medienmogul“ sei Berichten zufolge tot in seinem Garten gefunden worden“, schrieben die Hacker und bildeten den Küchentisch ab, an dem Murdoch angeblich eine hohe Dosis von Drogen zusammengebraut habe. Das war vermutlich eine Anspielung auf Murdochs ehemaligen Angestellten Sean Hoare, der am Montagabend in seiner Wohnung in Watford tot aufgefunden worden war. Der frühere „News of the World“-Journalist war einer der ersten aus einem Murdoch-Unternehmen, der über die illegalen Aktivitäten der Zeitungen auspackte.

Hängt der Tod von Sean Hoare mit der Affäre zusammen?

Die dicken Schlagzeilen, mit denen die Zeitungen über den Tod des „Whistleblowers“ berichteten, suggerierten Verdächtiges. Die Polizei geht jedoch nicht von Fremdeinwirkung aus. Die Autopsie habe keine Hinweise auf ein Verbrechen ergeben, teilte die Polizei am Dienstag mit. Der ehemalige Reporter der „News of The World“, der unter inzwischen verhafteten Chefs wie Andy Coulson und Neil Wallis arbeitete, war alkohol- und drogensüchtig. Vor über einem Jahr hatte er gegenüber der „New York Times“ ausgepackt und gesagt, illegale Abhöraktivitäten seien bei der Zeitung gang und gäbe gewesen. Er selbst sei von Chefredakteur Andy Coulson aktiv aufgefordert worden, sich in Mailboxen einzuhacken. Wie verlässlich er als Zeuge in kommenden Verfahren gewesen wäre, ist umstritten. Aber sicher hätte er eine wichtige Rolle gespielt.

Andy Coulson – der Name taucht immer wieder auf. Warum ist er so wichtig?

Kein Tag an dem die Labourparty nicht nach Camerons Ex-Sprecher Coulson und den Beziehungen des Premiers zu den Hackern der „News of the World“ fragt. Schließlich war Coulson einst Chefredakteur des Blattes gewesen. Nach den Anhörungen der beiden zurückgetretenen Top-Polizisten Sir Paul Stephenson und John Yates werden diese Fragen noch dringlicher, denn Stephenson hatte den ehemaligen „News of the World“ Vizechef Neil Wallis als Berater beschäftigt. Cameron habe nichts von Wallis Rolle bei der Polizei gewusst, weil er durch seinen Stabschef Ed Llewllyn abgeschirmt worden sei, berichtete Yates. Camerons Tory Partei erklärte jedoch, dass Coulson selbst im Wahlkampf 2010 einen unbezahlten Helfer hatte: Neil Wallis.

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