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Musterung, Freiwilligkeit, Mindestdauer: Das steht im neuen Wehrdienst-Gesetz
Alle jungen Männer müssen zu ihrem 18. Geburtstag verpflichtend einen Fragebogen ausfüllen, Frauen nur freiwillig. Das Recht zur Kriegsdienstverweigerung bleibt bestehen.
Stand:
Das neue Wehrdienst-Gesetz der Bundesregierung ist eine Reaktion auf die veränderte Bedrohungslage in Europa. Die Bundeswehr richtet ihre Strategie auf die Landes- und Bündnisverteidigung aus, mit dem Ziel eines Gesamtumfangs von insgesamt 460.000 Soldaten – aktive Truppe und Reserve zusammengenommen.
Da das Rekrutierungssystem nach Aussetzung der Wehrpflicht 2011 dafür nicht ausreicht, hat die Bundesregierung den Entwurf eines neuen Wehrdienstgesetzes beschlossen, das 2026 in Kraft treten soll. Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Online-Fragebogen und Rückkehr der Musterung
Die 2011 ausgesetzte Wehrerfassung wird reaktiviert. Alle Männer erhalten künftig zum 18. Geburtstag einen Online-Fragebogen zu ihrer Bereitschaft und ihren Fähigkeiten für den Wehrdienst, den sie verpflichtend ausfüllen müssen. Frauen sowie Männer ab dem Jahrgang 2001 erhalten ebenfalls Informationsmaterial und können ihre Bereitschaft freiwillig erklären.
Ab dem 1. Juli 2027 wird zudem die Musterung, also die ärztliche Untersuchung auf Wehrdiensttauglichkeit, für alle Männer ab Jahrgang 2008 wieder verpflichtend. Ziel ist es, ein umfassendes Lagebild über potenziell verfügbares Personal zu gewinnen. Zuständig ist künftig das Amt für das Personalmanagement der Bundeswehr.
Neuer Wehrdienst und Wechsel zur Pflicht
Das Modell basiert zunächst auf Freiwilligkeit, enthält jedoch von Beginn an verpflichtende Elemente wie die Wehrerfassung und Musterung. Kernpunkt ist die Möglichkeit, die Wehrpflicht flexibel zu aktivieren. Durch den neuen Paragrafen 2a im Wehrpflichtgesetz (WPflG) erhält die Bundesregierung die Befugnis, die Einberufung zum Grundwehrdienst per Rechtsverordnung anzuordnen.
Dies ist auch außerhalb des Spannungs- oder Verteidigungsfalls möglich, sofern die verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs der Streitkräfte erfordert, der auf freiwilliger Basis nicht erreicht werden kann. Die Aktivierung bedarf der Zustimmung des Bundestages. Während die SPD darauf besteht, hält die Union dies für eine Hürde und fordert einen Automatismus bei Nichterreichen der Rekrutierungsziele.
Rekrutierungsziele
Langfristiges Ziel bis Anfang der 2030er Jahre ist ein Gesamtumfang von 260.000 aktiven Soldaten (derzeit sind es rund 180.000) und 200.000 Reservisten (derzeit rund 100.000). Für den neuen Wehrdienst werden folgende jährliche Rekrutenzahlen prognostiziert: 2026 20.000 Rekruten, 2027 23.000 Rekruten, 2028 28.000 Rekruten, 2029 33.000 Rekruten, 2030 38.000 Rekruten.
Anreize erhöhen
Der bisherige „Freiwillige Wehrdienst“ (FWDL) wird abgeschafft. Alle befristet dienenden Soldaten werden künftig in das einheitliche Dienstverhältnis eines „Soldaten auf Zeit“ (SaZ) berufen. Die Mindestverpflichtungsdauer wird auf sechs Monate festgelegt, kann jedoch freiwillig verlängert werden. Die finanzielle Vergütung wird verbessert. Der Sold liegt anfangs bei rund 2200 Euro. Zusätzliche Anreize wie ein Zuschuss zum Pkw-Führerschein der Klasse B (bis zu 3500 Euro) sollen den Dienst attraktiver machen.
Kriegsdienstverweigerung
Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung (KDV, Artikel 4 Abs. 3 GG) bleibt uneingeschränkt erhalten. Da das Recht bei einer Aktivierung der Wehrpflicht wieder an Bedeutung gewinnen dürfte, werden das Kriegsdienstverweigerungsgesetz und das Zivildienstgesetz vorsorglich angepasst. So soll sichergestellt werden, dass ein Ersatzdienst (Zivildienst) geleistet werden kann und ein KDV-Antrag nicht nur dazu dient, sich dem Wehrdienst ohne Gegenleistung zu entziehen. (Reuters)
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