
© dpa/Bodo Schackow
Nach Europawahldebakel: Thüringer SPD-Landeschef kritisiert Parteiführung und Kanzleramt
Die SPD habe versäumt, die soziale Schieflage zwischen Ost- und Westdeutschland zum Thema zu machen. Landeschef Georg Maier appelliert, den Fokus wieder mehr auf „die arbeitende Mitte“ zu richten.
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Nach dem sozialdemokratischen Europawahldebakel hat der Thüringer SPD-Landeschef Georg Maier die Parteiführung im Bund und das Kanzleramt kritisiert. Die SPD müsse „auch dringend vor der eigenen Haustüre kehren, um bei den Wählern wieder besser anzukommen“, sagte Maier dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Mit Blick auf soziale Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland kritisierte er: „Die SPD hat es versäumt, diese soziale Schieflage in Deutschland zum Thema zu machen.“ Er appelliere seit geraumer Zeit „eindringlich im Parteivorstand und im Kanzleramt, endlich aktiv zu werden. Doch bisher ohne Erfolg.“ Er verstehe nicht, „warum die SPD die Gerechtigkeitsfrage nicht auf die politische Agenda setzt. Das ist doch unsere DNA.“
Maier ist auch Innenminister in Thüringen, wo im September der Landtag gewählt wird. In Umfragen führte die AfD zuletzt mit großem Abstand vor der CDU, die SPD lag im einstelligen Bereich.
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Maier forderte, der Fokus seiner Partei müsse wieder stärker auf „die arbeitende Mitte“ gerichtet werden. Diese Menschen seien durch die Krisen arg gebeutelt und verunsichert und fragten sich, wer ihre Interessen vertrete. Das gelte besonders für Ostdeutschland. „Man kann niemanden mehr erklären, warum die soziale Schere zwischen Ost und West 34 Jahre nach der Einheit immer noch so weit auseinandergeht“, sagte Maier. Die Löhne seien knapp 20 Prozent niedriger, die Arbeitszeiten länger, die Vermögen noch nicht einmal halb so hoch wie im Westen und die Durchschnittsrenten am niedrigsten.
13,9 Prozent bei Europawahl
Die SPD hatte bei der Europawahl nur 13,9 Prozent der Stimmen bekommen, ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung. Anschließend äußerten mehrere SPD-Politiker die Erwartung, dass Scholz in der Ampel-Koalition offensiver für Kernanliegen der Sozialdemokraten eintritt. Am Sonntag kamen führende SPD-Politiker zu einer Sondersitzung des Parteipräsidiums zusammen, um über die Konsequenzen zu beraten. Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.
Zugleich kritisierte er das Festhalten an der Schuldenbremse. Das sei „bar jeder Vernunft“. „Weltweit werden zig Milliarden durch staatliche Programme in die Infrastruktur und Forschung investiert, nur Deutschland spart sich durch die Krise“, sagte Maier. Die FDP von Bundesfinanzminister Christian Lindner pocht auf einen strikten Sparkurs und die Einhaltung der Schuldenbremse.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil stärkte Kanzler Olaf Scholz derweil den Rücken: Er sei nach seinem Eindruck „unangefochten als die Nummer eins“ der Partei zu betrachten. „Olaf Scholz hat wirklich das Vertrauen der SPD, und ich sehe auch überhaupt keine Alternative“, sagte Weil am Sonntag in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Nach seinem Empfinden seien sich „alle relevanten Teile in der SPD“ einig, „dass wir mit Olaf Scholz in den nächsten Wahlkampf gehen werden - aber dann auf einer hoffentlich deutlich besseren Grundlage, als es diesmal der Fall gewesen ist“.
Für die Partei ergebe es keinen Sinn, sich jetzt öffentlich zu zerstreiten, mahnte Weil. Es sei vielmehr wie nach einem verlorenen Fußballspiel: „Man muss in der Kabine Klartext miteinander reden, aber dann auch wieder geschlossen aufs Feld gehen.“
SPD-Chefin Saskia Esken sagte am Montag im Deutschlandfunk, dass innerhalb der Partei auch darüber gesprochen werde, wie sich möglicherweise die Parteikommunikation verändern müsse, „damit wir besser wieder an den Ohren der Menschen auch sind“. Angesprochen auf Maiers Äußerungen zur „arbeitenden Mitte“ sagte sie: „Georg Maier hat darauf in einem Interview hingewiesen, aber natürlich auch am Montag in der Parteivorstandssitzung haben wir gemeinsam darüber gesprochen, dass das unsere Zielrichtung sein muss. Das ist sie bisher gewesen und das muss sie auch weiterhin sein.“ (dpa)
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