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Nach Messerangriff auf Lehrerin in Essen: Generalbundesanwalt übernimmt Ermittlungen – Tat aus „radikal-islamistischer Überzeugung“
Die Messerattacke auf eine Lehrerin an einem Essener Berufskolleg hatte vergangene Woche für Erschütterung gesorgt. Die Tat könnte einen islamistischen Hintergrund haben.
Stand:
Nach dem Messerangriff auf eine Lehrerin an einem Berufskolleg in Essen hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wegen versuchten Mordes übernommen. Es bestehe der Verdacht des versuchten Mordes in zwei Fällen, teilte die Karlsruher Behörde mit. Der Verdächtige soll nach dem Angriff auf die Lehrerin auf der Straße auch einem ihm fremden Mann in den Rücken gestochen haben.
Auf der Suche nach weiteren Opfern habe er sich zudem zweimal kurz hintereinander zur Alten Synagoge in Essen begeben, „ohne indes aus seiner Sicht geeignete Personen anzutreffen“, teilte die Bundesanwaltschaft weiter mit. „Bei den Angriffen handelte der Beschuldigte aus einer radikal-islamistischen Überzeugung heraus, die sich gegen die freiheitliche Gesellschaftsform in Deutschland richtet. Damit ist die Tat geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen.“
Ein 17-jähriger, kosovarischer Schüler soll am vergangenen Freitag an seinem Berufskolleg eine 45 Jahre alte Lehrerin durch mehrere Stiche schwer verletzt haben. Ein Richter erließ daraufhin Haftbefehl wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.
Die Bundesanwaltschaft begründete die Übernahme der Ermittlungen auch mit der besonderen Bedeutung des Falles. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen lägen weiter beim Polizeipräsidium Essen.
NRW-Innenminister Herbert Reul hatte am Donnerstag bereits angekündigt, dass die Bundesanwaltschaft eine Übernahme der Ermittlungen prüft. Der CDU-Politiker erklärte, dass die Tat einen islamistischen Hintergrund haben könnte. In dem Fall des tatverdächtigen 17-jährigen Kosovaren verdichteten sich entsprechende Hinweise, sagte Reul im Innenausschuss des NRW-Landtags.
Wie zuvor die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ und die „Rheinische Post“ berichteten, hat die ermittelnde Mordkommission Datenträger des Schülers ausgewertet.
Demnach bestehe der Verdacht auf einen islamistischen Hintergrund vor allem aufgrund von Videos, die der Schüler angefertigt habe. Laut „Bild“ soll er in einem davon „Allahu Akbar“ gerufen haben und behaupten, dass die Lehrerin den Propheten beleidigt habe. Die Staatsanwaltschaft Essen habe neben dem Generalbundesanwalt auch die Zentralstelle für Terrorismusbekämpfung informiert, so Reul.
Einzelheiten konnte der CDU-Politiker dazu nicht nennen. Der Fall gerate aber mit den neuen Erkenntnissen „in einen ganz anderen Blick“. Man habe zunächst gedacht, dass die Tat „etwas mit der Lehrerin und dem Schüler zu tun hatte.“ Aber: „Jetzt sieht das anders aus.“
Die mutmaßliche zweite Tat des Kosovaren richtete sich gegen einen Obdachlosen. Auf dem Weg zum Berufskolleg soll er den Mann an einer Bushaltestelle lebensgefährlich verletzt haben – ebenfalls mit einem Messer. Erste Erkenntnisse deuteten auf eine Verbindung hin, wie die „WAZ“ unter Berufung auf Reul berichtet hatte.
Zwar soll der 17-Jährige nicht als potenzieller Terrorist eingestuft gewesen sein. Dennoch galt er offenbar im Frühjahr 2023 zwischenzeitlich als „Person mit Risikopotenzial“, heißt es weiter. In der Vergangenheit sei er wegen Bedrohung, Verstoßes gegen das Waffengesetz, gefährlicher Körperverletzung und des Besitzes von Kinderpornografie aufgefallen. Nachdem er vier Monate lang polizeilich nicht mehr in Erscheinung getreten sei, sei die Einstufung im August 2023 aufgehoben worden, so die „WAZ“.
Reul kündigte demnach an, dass die Polizei diese „Ausstufung“ noch einmal überprüfen werde. Gerade, weil der Schüler 2024 erneut wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung aufgefallen sein soll.
Wenn die Bundesanwaltschaft Ermittlungen übernimmt, wird der Tatverdächtige danach in der Regel in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihm einen neuen Haftbefehl eröffnet. Das kann aber mehrere Tage oder Wochen dauern.
Der Jugendliche war nach der Tat am Freitag zunächst geflüchtet. Als Polizisten ihn in einem nahegelegenen Park festnehmen wollten, hatte er nach Angaben der Ermittler ein Messer gezogen. Die Beamten hätten daraufhin ihre Waffe eingesetzt und den 17-jährigen Kosovaren durch die Schüsse so schwer verletzt, dass er auf die Intensivstation kam. Inzwischen schwebt er nicht mehr in Lebensgefahr. Auch der Lehrerin geht es bereits besser. (Tsp/cz/dpa)
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