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Markus Söder, CSU-Parteivorsitzender und bayerischer Ministerpräsident, am Montag nach der Sitzung des CSU-Vorstands.

© dpa/Peter Kneffel

Update

Nach „Stadtbild“-Kritik des CDU-Sozialflügels: Söder kritisiert „linke Kampagne“ gegen Merz – auch Dobrindt verteidigt den Kanzler

Illegale Migration hätte das Stadtbild verändert, sagt Innenminister Dobrindt und springt dem Kanzler bei. Auch CSU-Chef Söder nimmt Merz in Schutz. Allerdings kommt die Kritik auch aus den eigenen Reihen.

Stand:

Bundeskanzler Friedrich Merz erntet für seine Äußerungen über „Stadtbild“ und Migration parteiübergreifende Kritik. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) allerdings bezeichnete die Debatte über vermeintliche Probleme im „Stadtbild“ durch Migration als „verzerrt“ und „Wortklauberei“.

Letztlich sei es „eine linke Kampagne“, die mit bestimmten Begriffen „von der Realität abzulenken“ versuche, sagte der CSU-Chef nach der Kabinettssitzung in München. Er nahm Merz in Schutz. Dieser müsse diese Entwicklungen als Bundeskanzler selbstverständlich „benennen können“.

Söder sagte, es sei „natürlich“ so, dass es an bestimmten Stellen vor allem in Städten Herausforderungen gebe, weil die „Integration nicht gelungen ist“. Er verwies etwa auf die Situation an Hauptbahnhöfen, aber auch in Schwimmbädern.

Aus der CSU erfährt Merz noch weiteren Rückhalt. „Dass illegale Migration das Erscheinungsbild unserer Städte verändert, entspricht dem normalen Empfinden vieler Menschen – und ich halte es auch für eine Tatsache“, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) der „Bild“. 

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister, aufgenommen am 8. Oktober 2025 bei einem Pressestatement nach der Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt.

© dpa/Michael Kappeler

Die Bundesregierung sorge mit der eingeleiteten Migrationswende dafür, dass Städte, Gemeinden, Kitas, Schulen und das Gesundheitssystem spürbar entlastet würden, sagte Dobrindt. Das sei „eine Frage des Respekts und der Verantwortung gegenüber unserem Land“.

Steinmeier begrüßt „klare Linie“ von Merz zur AfD

Unterdessen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den klaren Abgrenzungskurs von CDU-Chef Merz gegenüber der AfD positiv bewertet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Staatsbesuch in Österreich.

© AFP/Helmut Fohringer

„Ich begrüße es, dass der Bundeskanzler für sich und seine Partei eine klare Linie gezogen hat gegenüber rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Positionen und Parteien, Zusammenarbeit und Koalitionen ausgeschlossen hat“, sagte Steinmeier in Wien während seines Staatsbesuches in Österreich.

Zudem betonte Steinmeier, die politische Mitte müsse nun unter Beweis stellen, dass sie in der Lage sei, die Probleme zu lösen, bei denen die Menschen Lösungen erwarteten. „Diese Chance besteht, und ich habe den Eindruck, wir gehen sie auch an.“Merz bleibt beim Stadtbild-Satz

SPD-Generalsekretär wirft Merz Spaltung vor

Der Kanzler war vor einer Woche in Potsdam von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen worden. Merz sagte daraufhin unter anderem, dass man frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere und Fortschritte mache.

„Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“ Die Äußerung war von der Opposition, aber auch vom Koalitionspartner SPD kritisiert worden. 

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SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf warf Merz vor, zu spalten. Es gebe in Deutschland Probleme – und die dürfe man benennen. „Aber das alles immer wieder auf eine Frage zurückzuführen, auf die Frage der Migration, und da so viel miteinander zu vermengen und zu pauschalisieren – das spaltet und das zerstört Vertrauen“, sagte er in der ntv-Talkshow „Pinar Atalay“. 

Merz verteidigte seine Worte am Montag. „Ich habe gar nichts zurückzunehmen“, sagte er. „Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal: Wir müssen daran etwas ändern, und der Bundesinnenminister ist dabei, daran etwas zu ändern, und wir werden diese Politik fortsetzen.“ 

Nachfragen, was er mit „dieses Problem“ konkret gemeint habe, beantwortete Merz unter anderem, indem er sagte, wer seine Töchter frage, werde auf die Frage, was er mit seinen Äußerungen gemeint habe, vermutlich „eine ziemlich klare und deutliche Antwort“ bekommen.

Auch am Dienstag hält Merz seine umstrittenen Äußerungen für nicht weiter erklärungsbedürftig. „Wenn Sie mir das nachsehen, dieses Thema hat heute keine Rolle gespielt, und es wird auch im weiteren Verlauf des Tages keine Rolle spielen“, sagte er auf eine entsprechende Frage bei seinem offiziellen Antrittsbesuch bei der baden-württembergischen Landesregierung. „Und was ich mit diesem Wort gemeint habe – in der letzten Woche in Potsdam so gesagt, gestern nochmal wiederholt in einer Pressekonferenz – ist deutlich geklärt worden.“ 

Kritik aus der CDU an Merz’ Äußerungen

Aus der Union gibt es aber nicht nur Zustimmung an Merz’ Äußerungen. Der Landeschef der baden-württembergischen CDU, Manuel Hagel, sagte im ZDF-„heute journal“, es habe sich in Deutschland etwas verändert – und das habe etwas mit Migration zu tun, aber nicht nur. „Am Ende geht es nicht um Menschen oder Gruppen. Es geht vor allen Dingen darum, dass wir die Probleme – innere Sicherheit, Ordnung in unseren Innenstädten – lösen.“

Friedrich Merz ist nicht mehr der launige Kommentator am Spielfeldrand, der einen raushaut, sondern ihm kommt als Kanzler eine besondere Verantwortung (...) zu.

Dennis Radtke, Chef des CDU-Sozialflügels

Viele Menschen mit Migrationshintergrund seien Teil der bürgerlichen Mitte, Teil des Wohlstands, Teil der Wertegemeinschaft, sagte Hagel. „Und deshalb rate ich da sehr, verbal etwas abzurüsten und sehr differenziert in dieser Debatte auch vorzugehen.“ 

„Probleme lassen sich nicht abschieben“

Der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Natürlich haben wir an vielen Stellen ein verstörendes Stadtbild, aber zu suggerieren, dies würde sich durch Abschiebungen ändern, ist zu kurz gesprungen, erweckt unerfüllbare Erwartungen und wird der Komplexität des Problems nicht gerecht.“

Radtke sagte weiter: „Probleme wie Drogensucht, Obdachlosigkeit oder Mackertum bei Jugendlichen lassen sich nicht abschieben, sondern müssen angepackt werden.“ Natürlich müssten illegal eingereiste Migranten abgeschoben werden – aber viele Probleme würden fortbestehen. 

Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) mahnte: „Friedrich Merz ist nicht mehr der launige Kommentator am Spielfeldrand, der einen raushaut, sondern ihm kommt als Kanzler eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Debattenkultur und einer positiven Zukunftserzählung zu.“ 

Debatte vor dem Hintergrund starker AfD-Umfragewerte

Die beste Strategie gegen die AfD sei Politik, die Probleme löse, Versprechen einhalte und in der Kommunikation ebenso klar wie empathisch sei, meinte Radtke. Merz hatte erneut einen klaren Abgrenzungskurs der CDU gegenüber der AfD angekündigt. 2026 werden in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern neue Landtage gewählt. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kommt die AfD in jüngsten Umfragen an die 40 Prozent heran und ist mit weitem Abstand stärkste Partei.

Im Kommunalwahlkampf in Nordrhein-Westfalen in diesem Sommer waren vor allem Strategien gegen Obdachlosigkeit, die Vermüllung im öffentlichen Raum sowie Armutszuwanderung aus Osteuropa beherrschende Themen in den Großstädten.

Im vergangenen Jahr wurden laut Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt knapp 3,4 Millionen Straftaten aufgeklärt und insgesamt 2.184.834 Tatverdächtige ermittelt. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger an allen Tatverdächtigen nahm im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 Prozentpunkte zu und lag damit 2024 bei 41,8 Prozent. „Diese Tendenz kann aufgrund des aktuellen Wanderungsgeschehens in Deutschland als durchaus erwartbar eingestuft werden“, heißt es dazu in der Polizeilichen Kriminalstatistik.

Während sich die deutsche Wohnbevölkerung im betrachteten Zeitraum in ihrer Größe kaum verändert habe, sei die nichtdeutsche Bevölkerung merklich angewachsen. Neben diesen rein zahlenmäßigen Effekten sei davon auszugehen, dass viele Schutzsuchende multiple Risikofaktoren - etwa unsichere Zukunftsperspektive, Armut, Gewalterfahrungen – für verschiedene Deliktsbereiche, insbesondere Gewaltkriminalität und Eigentumsdelikte, aufweisen. (dpa, epd)

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