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Er will nicht soviel Sozialpolitik: Der demokratische Senator Joe Manchin.

© AFP

Abtrünniger Senator lehnt Sozialpaket ab: Nein-Sager Joe Manchin gefährdet Bidens zweite Amtszeit

Das Mega-Projekt dieser Präsidentschaft darf nicht platzen. Hier geht es um die Durchsetzungskraft des 79-jährigen Präsidenten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Von wegen Merry Christmas. Seit Monaten versucht US-Präsident Joe Biden, das Herzstück seiner Amtszeit, das billionenschwere Sozial- und Klimapaket, durch den Kongress zu bringen – und nun droht es ausgerechnet an einem Parteifreund zu scheitern. Joe Manchin, Vertreter West Virginias im Senat, will partout nicht zustimmen, was angesichts der hauchdünnen Mehrheit für die Demokraten das Aus bedeuten würde. Das ist so, als brenne der von Biden gerade kostbar geschmückte Weihnachtsbaum ab.

Senator Manchin sagt nein, weil ihm die Kosten zu hoch sind, selbst die von mehr als drei Billionen auf 1,7 Billionen Dollar abgespeckte Version. Er findet, die Regierung solle sich auf Corona und das Wirtschaftswachstum konzentrieren, da seien solche Ausgaben angesichts der steigenden Inflationsrate nicht zu verantworten.

Manchin ist Demokrat, muss sich aber in einem der konservativsten Bundesstaaten behaupten. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 erhielt Donald Trump in West Virginia sein zweitbestes Ergebnis aller Staaten; und jetzt geht von West Virginia höchste Gefahr für Bidens Präsidentschaft aus, ein Jahr vor den Kongresswahlen.

Senator Manchin lässt sich nicht umstimmen

Das Weiße Haus lässt seinem Ärger freien Lauf. Hat nicht Biden sein ganzes Renommee als langjähriger Senator und als Dealmaker mit dem Kongress – unter anderem für Barack Obama – in die Waagschale geworfen? Aber nichts da, Manchin lässt sich bisher weder erweichen noch erschrecken. Das Weiße Haus versucht, den Senator deshalb jetzt bei seiner Ehre zu packen, bei seinen „Verpflichtungen gegenüber dem Präsidenten und den Kollegen im Repräsentantenhaus und im Senat“.

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Das Gesetzespaket ist aus allen nur erdenklichen Gründen zu wichtig, um aufzugeben. Einmal wegen der versprochenen Verbesserungen für Millionen US-Bürger, durch geringere Kosten für Kinderbetreuung, durch die Steuerentlastung der Familien und den Ausbau von Gesundheitsleistungen. Dazu sind 500 Milliarden Dollar fürs Klima eingeplant. Nicht zuletzt aber muss Biden darum kämpfen, weil er als Präsident diesen Erfolg dringend braucht. Bei einer unter 50 Prozent gesunkenen Beliebtheit, mit wachsenden Zweifeln, ob der 79-Jährige seine Durchsetzungskraft nicht doch überschätzt hat, wäre es umso mehr ein Desaster, wenn er dastünde als einer, der Versprechen nicht hält.

Schon grassiert der böse Spruch, Joe Biden werde nicht der nächste Franklin D. Roosevelt, sondern als zweiter Jimmy Carter enden, der nur eine Amtszeit hatte. Und die Alternative, Vizepräsidentin Kamala Harris, ist auch noch unbeliebter als ihr Chef. Wenn die Demokraten also im November 2022 wegen des gescheiterten Mega-Projekts ihre Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses an die Konservativen verlieren würden – dann wäre das ein Geschenk fürDonald Trump.

Ja, da brennt der Baum. Joe Biden muss den Brand schnell löschen, er darf nicht aufs Weiße Haus übergreifen. Für die übrige Welt ist das keine gute Nachricht. Einem US-Präsident, der innenpolitisch so kämpfen muss, fehlen Autorität, Kraft und Zeit für die Außenpolitik. Und in der geht es auch nicht eben friedvoll zu.

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