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Zähe Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz.

© IMAGO/Achille Abboud / IMAGO/Achille Abboud

Update

Vorläufiges Abschlusspapier : UN-Klimakonferenz fordert Kohleausstieg - erwähnt Gas und Öl allerdings nicht

Der Weltklimagipfel galt beinahe als gescheitert. Nun gibt es vorläufige Ergebnisse. Die deutsche Außenministerin warnte davor, das 1,5-Grad-Ziel aufzugeben.

Fast 24 Stunden nach dem geplanten Ende des Weltklimagipfels in Ägypten liegt den Verhandlern aus rund 200 Staaten ein weiterer offizieller Entwurf für eine Abschlusserklärung vor. In dem elfseitigen Papier der ägyptischen Konferenzleitung von Samstagmittag wird von allen Ländern ein schrittweiser Kohleausstieg gefordert.

Nicht aufgegriffen wird aber weiterhin die Forderung etlicher Staaten und Klimaaktivisten, auch den Abschied von Öl und Gas festzuschreiben. Martin Kaiser von Greenpeace sagte der Deutschen Presse-Agentur, es müsse aber unbedingt der Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern inklusive Öl und Gas im Text verankert werden. In den letzten Stunden müsse nun Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sicher stellen, dass die EU die Ergebnisse nur dann akzeptiere, wenn auch die Abhängigkeit von klimazerstörenden Energieträgern beendet wird.

Ebenfalls noch ungeklärt ist die Streitfrage, ob unter dem Dach der Vereinten Nationen ein Fonds eingerichtet wird, der arme und besonders gefährdete Länder für unabwendbare Klimaschäden entschädigt. Gemeint sind fatale Folgen der Erderwärmung wie Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürme, aber auch der steigende Meeresspiegel.

Zu dem Thema Verluste und Schäden lag ein separater Vorschlag der Konferenzleitung vor. Er sieht vor, einen solchen Fonds bis 2024 einzurichten. Jan Kowalzig von Oxfam sagte dazu der Deutschen Presse-Agentur: „Das wäre ein wichtiger Schritt nach vorne für die von der Klimakrise gebeutelten Menschen in den ärmeren Ländern.“

Friederike Röder von Global Citizen nannte es „schockierend“, dass in dem Entwurf für die Abschlusserklärung kein klarer Zeitplan für die Einlösung des Versprechens festgelegt werde, 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung an Länder des Globalen Südens bereitzustellen. „Dieses Versprechen wurde nun zwei Jahre hintereinander gebrochen, und es ist nicht klar, ob es 2023 erfüllt wird.“

In dem Entwurf werden die Staaten auch aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern, die Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfindet. Dies bleibt freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht

Klimakonferenz war kurz vor dem Scheitern

Die UN-Klimakonferenz in Ägypten steckte zuvor in einer Sackgasse und drohte, zu scheitern. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans und Außenministerin Annalena Baerbock warnten am Samstag, dass sie notfalls auch ein Platzen des zweiwöchigen Treffens in Scharm el Scheich in Kauf nehmen. „Wir werden keinen Vorschlägen zustimmen, die das 1,5-Grad-Ziel zurückdrehen“, stellte Baerbock nach ergebnislosen nächtlichen Verhandlungen klar.

Und Timmermans sagte, gewisse rote Linien werde der Staatenverbund nicht überschreiten. „Es ist besser, kein Ergebnis zu haben als ein schlechtes.“

Die Weltklimakonferenz, zu der etwa 34.000 Teilnehmer angereist sind, war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. COP-Präsident Samih Schukri sagte am Morgen danach: „Es gibt ein gleiches Maß an Unzufriedenheit von allen Seiten.“ Die Vertreter der rund 200 Staaten wollten nun weiter über eine Abschlusserklärung beraten. Der Frage nach einem möglichen Scheitern wich er aus. „Jede Partei hat das volle Recht, sich einem Konsens anzuschließen oder nicht anzuschließen.“

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In Verhandlungskreisen brach in der Nacht tiefe Beunruhigung aus, nachdem Delegationen für nur wenige Minuten von der ägyptischen Präsidentschaft vorgelegte Textentwürfe zum Stand der Verhandlungen zu sehen bekamen. „Das ist extrem ungewöhnlich“, sagte ein Verhandler über den Endspurt. Die Delegationen hätten den Text nicht mitnehmen, sondern nur 20 Minuten anschauen und dann kurz kommentieren dürfen.

Insbesondere bei den Passagen, in denen es um die Eindämmung der Erderwärmung geht, sei der Text „das Gegenteil von dem, was passieren muss“, berichtete ein besorgter Delegierter. Baerbock verwies auf kursierende Vorschläge, wonach kein Staat in den nächsten zehn Jahren seine Klimaschutz-Ambitionen steigern müsste. „Dann würde das 1,5 Grad Ziel hier auf dieser Konferenz sterben. Und da macht die Europäische Union nicht mit“, betonte sie.

Offenbar Einigung bezüglich klimabedingter Schäden

Nach langem Ringen hat es am Nachmittag nach EU-Angaben eine Verständigung beim Thema klimabedingte Schäden gegeben. „Wir haben eine Einigung gefunden“, hieß es am Samstagnachmittag aus der EU-Delegation.

Dabei geht es um die Einrichtung eines Fonds zum Ausgleich klimabedingter Schäden, worauf die Entwicklungsländer lange gedrängt haben. Vorgesehen ist demnach, dass der Fonds dem Ausgleich von klimabedingten Schäden - etwa durch Extremwetter oder Dürrekatastrophen - in besonders betroffenen Staaten dienen soll.

Vorgesehen ist demnach zunächst die Einsetzung einer Kommission für den Aufbau des Fonds, über deren Empfehlungen dann auf der nächsten UN-Klimakonferenz Ende 2023 in Dubai beraten werden soll.

Es wird offengelassen, ob der Fonds unter dem Dach der UN-Klimarahmenkonvention oder des Pariser Klimaschutzabkommens aufgebaut werden soll. Die Rahmenkonvention orientiert sich an der traditionellen Aufteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Das Pariser Abkommen ist hier offener, was theoretisch auch den Weg für Zahlungen durch Schwellenländer wie China freimachen könnte.

Das Land selbst will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden. Westliche Staaten aber wollen China wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von Treibhausgasen nicht länger als Empfängerland für Gelder einstufen.

Es drohen unkontrollierbare Kettenreaktionen

2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.

Baerbock sagte, die Erderhitzung und ihre Folgen wie häufigere Dürren, Stürme und Überschwemmungen brächten schon jetzt viele der verletzlichsten Staaten an den Rand des Kollaps - und diesen müsse geholfen werden. Man sei nicht nur in Ägypten „um Papier zu produzieren“. Die Konferenz müsse einen großen Schritt vorankommen.

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Timmermans äußerte sich ebenfalls sehr besorgt über die Verhandlungen. Man werde bis zum Ende um eine Einigung ringen, sei aber notfalls auch bereit, ohne eine Erklärung abzureisen. „Die Nachricht an unsere Partner ist klar: Wir können nicht akzeptieren, dass das 1,5-Grad Ziel hier und heute stirbt.“

Kritik an den ägyptischen Gastgebern

Angesichts der Verzögerungen und einem Verhandlungsprozess, den Teilnehmer als chaotisch beschreiben, wuchs auch die Kritik an den ägyptischen Gastgebern. COP-Präsident Schukri gestand den Unmut der Teilnehmer am Samstag zwar ein, spielte den Ball aber zurück und sagte, die Verantwortung für eine Einigung liege bei den Ländern.

Auch sein Sonderbeauftragter für die COP27, Botschafter Wael Abulmagd, wies Kritik zum schleppenden und teils umständlichen Verhandlungsprozess zurück und spielte Sorgen herunter. „Ich glaube, wir müssen uns keine großen Sorgen machen“, sagte Abulmagd.

Aktivistinnen von „Friday for Future“ aus Uganda demonstrieren in Scharm el Scheich.

© Foto: Imago/Henrik Montgomery/TT

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, sagte zu dem Hickhack: „Am letzten Tag der COP prallen Klimakrise und Geopolitik mit voller Wucht aufeinander. Anstatt eine kurz- und langfristige Lösung für die Übernahme der Schäden und Verluste im Interesse der am meisten getroffenen Menschen durch alle reichen Superemittenten zu finden und die Welt weiter auf einen 1,5-Grad-Pfad zu bringen, werden hoffnungsgebende Ergebnisse zwischen den Staatenblöcken der UN zerrieben.“

Zur Rolle der ägyptischen Konferenzleitung sagte Kaiser: „Es ist inakzeptabel und noch nie dagewesen, dass eine COP-Präsidentschaft völlig intransparent operiert und Zivilgesellschaft und Staaten Tische und Stühle wegräumt, bevor die Konferenz zu Ende ist.“

In einem am Freitagmorgen von der Konferenzleitung veröffentlichten ersten Entwurf für die Abschlusserklärung wird zwar ein schrittweiser Kohleausstieg gefordert. Die Forderung etlicher Staaten, darin auch den Abschied von Öl und Gas festzuschreiben, wurde aber nicht aufgegriffen - was für Kritik von Klimaschützern sorgt und auch vielen Staaten nicht gefällt.

In einem am Freitagmorgen veröffentlichten Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels wird zwar ein schrittweiser Kohleausstieg gefordert.

Die Forderung etlicher Staaten, darin auch den Abschied von Öl und Gas festzuschreiben, wird aber nicht aufgegriffen - was für Kritik von Klimaschützern sorgt und auch etlichen Staaten nicht gefällt. Auch die Forderung, Klimaschutzpläne nachzuschärfen, bleibt relativ unverbindlich. (dpa)

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