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Spitzenkandidaten Michael Kretschmer (CDU), Katja Meier (Grüne) vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion zur Sachsen-Wahl.

© Robert Michael/dpa

„Nicht bloß Mehrheitsbeschaffer“: Sachsens Grüne wollen nicht um jeden Preis mitregieren

Kommt nach der Landtagswahl in Sachsen eine Koalition aus CDU, Grünen und SPD? Kenia könnte das einzig denkbare Bündnis sein, doch die Vorbehalte sind groß.

Von Matthias Meisner

Um eine laut Umfragen rechnerisch mögliche Option einer Kenia-Koalition aus CDU, SPD, und Grünen in Sachsen wird wenige Tage vor der Landtagswahl heftig gestritten. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katja Meier, hält es für bezeichnend, dass Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erhebliche Vorbehalte gegen eine Regierungsbeteiligung der Grünen geäußert hat.

Meier sagte am Mittwoch dem Tagesspiegel: „Offenbar hat der Ministerpräsident erkannt, dass wir Grüne nicht als bloßer Mehrheitsbeschaffer für den zukunftsvergessenen Kurs von Schwarz-Rot zur Verfügung stehen, sondern dieses Land verändern wollen." Es gehe darum, Sachsen ökologischer, gerechter und demokratischer machen, die Grünen träten ein für Klimaschutz und Weltoffenheit. „Wenn eine nach rechts offene sächsische CDU genau davor offenbar Angst hat, spricht das für sich."

Kretschmer, der auch CDU-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat seiner Partei für die Wahl am Sonntag ist, hatte in einer Journalistenrunde am Montag sein Verhältnis zu den Grünen als relativ distanziert beschrieben. „Man kennt sich, aber nicht mehr“, sagte er.

90 Prozent der Mitglieder der CDU Sachsen wollten ein Regierungsbündnis mit den Grünen „partout nicht". Er fügte hinzu: „Ich gehöre dazu. Ich bin der prominenteste Vertreter." Er wolle die Grünen nicht in der Regierung - es wäre besser, "wenn es sich vermeiden lässt".

Zuvor hatte Kretschmer die Grünen sogar mit der AfD verglichen - obwohl er eine Koalition mit der rechtsradikalen Partei anders als mit den Grünen kategorisch ausschließt. Nach der Europawahl im Mai sagte er, beide Kräfte ähnelten sich sehr darin, „dass sie nur ihre eigene Position als das Absolute sehen, dass sie nicht fähig sind zu Kompromissen". Anders als mit AfD und Linkspartei schließt Kretschmer Sondierungsgespräche mit den Grünen nach der Wahl nicht aus.

SPD-Landeschef Dulig: Kenia statt Rechtsruck

Derweil löste Sachsens Vizeministerpräsident und SPD-Landesvorsitzenden Martin Dulig Widerspruch in seiner Partei aus, weil er offen für eine Kenia-Koalition warb. In einem Video, das am Montagabend während der MDR-Wahlarena mit den Spitzenkandidaten ausgestrahlt wurde, sagte er: „Wir kennen die Umfragen. Wir wissen, worum es geht. Gibt es eine Mehrheit für CDU, SPD und Grüne. Oder rutscht dieses Land nach rechts und wird unregierbar?"

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Irena Rudolph-Kokot, SPD-Landtagskandidatin in Leipzig, widersprach: „Wir sehen die sächsische CDU nicht als Teil der Lösung für eine progressive Entwicklung Sachsens, sondern als Teil des Problems im Bundesland. Sie regiert nun seit fast 30 Jahren ohne Pause. Es ist höchste Zeit für Veränderung – aber ohne Rückwärtsrolle."

SPD-Landesvorstandsmitglied Amrei Drechsler erklärte, die Ansage von Dulig sei für die Partei „ohne Vorwarnung" gekommen. „Frischer Wind für Sachsen kann nur von links kommen, alles andere ist abgestanden." Sowohl Rudolph-Kokot als auch Drechsler engagieren sich in sächsischen Initiativen für Rot-Rot-Grün.

Sachsens SPD-Generalsekretär Henning Homann verteidigte das Vorgehen von Dulig: „In diesem Land zeichnet sich eine Koalition ab, über die niemand spricht", zitiert ihn die in Chemnitz erscheinende „Freie Presse" mit Blick auf ein Kenia-Bündnis. „Martin Dulig spricht genau das aus. Das ist ein Zeichen von Stärke."

Bisher gibt es die sogenannte Kenia-Koalition auf Landesebene nur in Sachsen-Anhalt, dort seit der Landtagswahl 2016. Immer wieder kommt es zu Reibungen im dortigen Regierungsbündnis – viele bei den Grünen vermissen inhaltliche Gemeinsamkeiten und sehen in Kenia nur ein „Zweckbündnis" gegen die AfD.

Beobachter schätzen, dass sich rund ein Drittel der CDU-Abgeordneten im Landtag von Sachsen-Anhalt auch eine Koalition mit der AfD ganz gut vorstellen können. Innerhalb der Grünen gibt es Einschätzungen, dass eine Bündnis aus CDU, Grünen und SPD in Sachsen sogar noch schwieriger werden könnte als in Sachsen-Anhalt.

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