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Eine Frau stillt ihr Baby.

© picture-alliance/ dpa-tmn

Klagen und Beschwerden gegen Ungleichbehandlung: Nicht jedes "Nein" ist eine Diskriminierung

Zu klein fürs Cockpit? Dagegen klagte eine Lufthansa-Bewerberin. Stillen in diesem Café nicht erwünscht? Eine Mutter startete eine Onlinepetition. Ging es um Diskriminierung? Eher nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Was macht eigentlich eine kleine Blonde, wenn der Mann, den sie begehrt, reihenweise große Dunkelhaarige als Herzdamen erwählt? Weint sie in ihr Kissen? Oder zerrt sie ihn vor Gericht und belangt ihn wegen Diskriminierung? Letzteres läge auf jeden Fall im Trend, aber eine gute Nachricht ist das eher nicht.

Zwei Menschen schafften es jüngst in die Nachrichten, weil sie sich diskriminiert gefühlt hatten und dagegen vor Gericht oder via Internet zu Felde zogen. Geklagt hatte eine Frau, die zu klein war für den Pilotenjob bei der Lufthansa, den aber trotzdem wollte. Eine Onlinepetition für rechtlichen Schutz startete eine Frau, die ihr Baby genau in dem Berliner Café stillte, dessen Betreiber von stillenden Müttern gar nichts halten, und das lassen sollte.

Wurden die Frauen diskriminiert? Oder hörten sie nur ein „Nein“, mit dem sie sich durchaus hätten abfinden können, das aber offenbar nicht wollten?

Diskriminierung ist ein Unrecht – und die Vorstellung schlimm, wegen Geschlecht, Hautfarbe, Sexualität oder Religion abgelehnt, um Rechte oder auch nur Chancen gebracht zu werden. Dagegen gibt es das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

Das hilft manchmal Minderheiten, wenn etwa zur Diskriminierungsvermeidung von Transsexuellen Unisextoiletten eingeführt werden, während es in anderen Fällen nicht hilft, wenn wie jetzt rund um Flüchtlinge die Diskriminierung aus religiösen und ethnischen Gründen eine Art Volkssport geworden ist.

Verglichen damit wirkt das Ansinnen, in einem ganz bestimmten Café sein Baby stillen zu dürfen, egoman und banal. Denn es gibt viele Cafés, in denen das geht. Was also will die Frau? Auch die Klage der verhinderten Pilotin wirkt wie der Versuch, Geld aus der Lufthansa zu pressen. Die 19-Jährige wollte 135 000 Euro Entschädigung. Wofür?

Zu klein fürs Cockpit. Wie groß ein Mensch sein muss, der Pilot werden möchte, darum wurde vor Gericht gestritten.
Zu klein fürs Cockpit. Wie groß ein Mensch sein muss, der Pilot werden möchte, darum wurde vor Gericht gestritten.

© dpa

Ein dauernd erhobener Vorwurf wird stumpf

Dass sie das Mindestmaß für den Beruf nicht hat, hätte sie wissen können, es steht, wie inzwischen jeder weiß, im Tarifvertrag und findet seine Begründung unter anderem in Cockpitabmessungen. Ähnlich wirkt der Fall des Sozialpädagogen, der 2008 unbedingt in dem Mädcheninternat arbeiten wollte, das eine Erzieherin suchte, die auch die Nachtaufsicht in den Schlafsälen führt. Es wollte ihm nicht einleuchten, dass da „ein sachlicher Grund für die geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung“ vorliege, er fühlte sich diskriminiert und zog vor Gericht.

Einerseits ist Aufbegehren nützlich und gut, Regeln sind normativ, man kann sie ändern (müssen). Wenn aber jede Entscheidung zur Diskriminierung aufgebauscht wird, wird der Vorwurf stumpf. Er wird, wie Nazi oder Rassist, zu einem Schimpfbegriff.

Was sagt man also zum Kind, das nicht in die Ruder-Leistungsklasse kommt, weil es zu klein ist? Was zum Zweimetermann, der U-Boot fahren will? Mach was anderes? Oder: Setz deinen Willen durch und zieh vor Gericht?

Richtiges und falsches Verhalten hängt eben auch von der Umgebung und dem Zeitpunkt ab. Wer das nicht wahrnimmt, ist rücksichtslos. Und wer dabei gleich "Diskriminierung" ruft, schadet den wirklich Diskriminierten.

schreibt NutzerIn nochnefrage

Dann kann man sich bald vorkommen wie bei „Ally McBeal“, der 90er-Jahre-Anwaltsserie aus den USA, in der viele Fälle von An- und Übergriffen, Enttäuschung und Missgunst am Ende zu Fällen von Diskriminierung wurden. Das war im Fernsehen lustig, aber in der Realität entsteht ein Verdacht – dass ein „Nein“ aus Prinzip nicht hingenommen oder mit „Menno!“ quittiert wird, dass aus Prinzip geklagt wird, Motto: Mal sehen, wie weit man kommt. Und vielleicht springen ja ein paar Euro dabei raus.

Soldatinnen dürfen lange Haare haben, Soldaten nicht - kein Grund zur Klage?

Ein Behinderter, der als Bewerbung lediglich einen Lebenslauf und Arbeitsproben, aber kein Anschreiben geschickt hat, wird abgelehnt? Sein Fehler oder Diskriminierung? Ein Schwarzer kommt nicht in die Disko? Antipathie oder Diskriminierung? Zwei Schwarze kommen nicht rein? Begründbare Entscheidung oder noch mehr Diskriminierung? Das Land Niedersachsen kündigte 2015 an, per Gesetz gegen rassistische Diskriminierung an der Diskothekentür vorzugehen. Aber würde es damit nicht weiße Nachtschwärmer benachteiligen, die auch nicht reinkommen, aber keine Hautfarbe als Indiz auf Diskriminierung zeigen können?

Dass neue Gesetze nicht gleich weniger Diskriminierung sind, zeigt auch die Bundeswehr. Frauen haben sich mithilfe des Gleichbehandlungsprinzips erfolgreich in die Truppe eingeklagt. Sie dürfen dort nun ihre langen Haare flechten und unter den Helm schieben. Männer dürfen das nicht. Männerhaare bei der Bundeswehr müssen kurz sein. Bisher hat noch niemand dagegen geklagt. Eine Frage der Zeit?

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