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Die neue Bundestagspräsidenten will die Bürger besser einbinden - und fordert eine verständlichere Sprache der Politiker.

© Odd Andersen/AFP

Konstituierung des Bundestags: Nie war er so wertvoll

Für den neuen Bundestag geht es um die Bereitschaft, sich großen Fragen zu stellen – mit Antworten, die die Demokratie erhalten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es ist schon richtig: Die Einsetzung des neuen Bundestags, des 20., ist ein Festtag der Demokratie. Ist ein Geschenk, wenn man sich umschaut in der Welt. Der hohe Ton ist also durchaus berechtigt. Doch das Handeln muss dem entsprechen, jedes Parlament muss sich aufs Neue bewähren – dieses besonders.

Im Wesentlichen geht es um die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der und des einzelnen Abgeordneten, allesamt gewählte Vertreter des Volkes. Mit Selbstbewusstsein, ganz unbedingt, und zwar mit mehr, als es immer mal wieder den Anschein hat. Denn Kontrolle der Exekutive und Gesetzgebung für das Gemeinwesen sind ja beides nicht bloß Chiffren, sondern Aufträge, zutiefst anspruchsvoll und ernst zu nehmen, vom Einzelnen wie von den Fraktionen.

Fraktionsdisziplin ist für sich alleine keine Tugend. Sie mag öfter als öffentlich gewünscht nötig sein, um Mehrheiten fürs Funktionieren des Zusammenlebens zustande zu bringen. Aber zugespitzt gilt: Der Bundestag kann sich eine neue Regierung suchen, die Regierung kein neues Volk. Das gilt zumal nach den Erfahrungen der Corona-Zeit: Es regiert nicht allein die Regierung – es regiert das Parlament. So wie dieser Auftrag wahrgenommen wird, wird dann auch der Bundestag in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Im besten, im erstrebenswerten Fall: als Forum für die Diskussion über alle Entwicklungen der Gesellschaft von Belang.

Eine Herausforderung sondergleichen – existenziell

Streit ums Beste, nach bestem Wissen und Gewissen – das ist die Herausforderung, mehr denn je. Immerhin muss jedes Parlament, jede aus ihm hervorgehende Regierung beweisen, dass das Land in guten Händen ist. Dieser Bundestag steht hier allerdings unter wachsendem Druck, ist er doch in dieser Legislaturperiode so groß wie nie: die größte Volksvertretung nach dem chinesischen Volkskongress.

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In der rasant sich verändernden Welt ist zusätzlich das nötige Tempo beim Entscheiden rapide gewachsen. Alles drängt. Das Vertrauen, dass die Politik Schritt halten kann, ist schon angegriffen. Es darf darum nicht weiter schwinden.
Schon gar, weil dieser Bundestag vor einer Herausforderung sondergleichen steht, einer existenziellen. Man könnte sagen: Nie war er so wertvoll wie heute, da es um die Bewältigung der Klimakatastrophe geht, die das Leben nicht nur hierzulande bedroht, sondern unser aller Überleben auf diesem Planeten. Sich dieser Dimension bewusst zu werden, ist das erste, danach zu handeln nicht das letzte.

Streiten. Ausgleichen. Verantworten.

Grundlegend muss die Antwort sein, schnell muss es gehen, damit die Aufgabe bewältigt wird. Und nur schon diese duldet keinen Aufschub; neben etlichen anderen, die sich aus den Zeitläuften immer wieder aktuell ergeben werden und die niemand vorhersehen kann.

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Streiten. Ausgleichen. Verantworten. Ein Dreiklang, aus dem keine langanhaltende Dissonanz werden sollte, jetzt noch weniger als vorher, wo die Lage doch so ist und die repräsentierte Bevölkerung wohl noch genauer, kritischer wahrnehmen wird, was ihre Repräsentanten treiben. Werden die ihrer – nur treuhänderisch geliehenen – Verantwortung gerecht? Wehe, wenn nicht.

Die Erwartung ist Konstruktivität über Parteigrenzen hinweg, nicht um jeden Preis, aber wo immer möglich. Ist die Bereitschaft, sich großen Fragen zu stellen, mit Antworten, die die Demokratie erhalten. Dieser Festtag sagt: Es gibt etwas, das größer ist als die je eigene Fraktion.

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