
© dpa/Jörg Carstensen
Noch mehr Schulden?: Als wenn das Geld aus der Steckdose käme
Immer mehr Milliarden kommen zu den Schulden hinzu, die es bereits gibt. Ein Wahlkampfthema sind sie trotzdem nicht – völlig unverständlich. Ein Kommentar.

Stand:
Wann endlich reden die Spitzenpolitiker darüber, wie sie die Zukunft gewinnen wollen? Gewinnen, wohlgemerkt, was Gestalten bedeutet, nicht Erleiden. Was unsere Gesellschaft nämlich sonst irgendwann erleiden könnte, ist ein Schock.
Viel zu wenig wird über die Staatsfinanzen gesprochen. Sicher, technisch schon, in einer Weise, dass niemand versteht, wovon die Rede ist. Fachleute unter sich halt. Weswegen manche auch dazu neigen, alle anderen erst einmal für dumm zu halten oder zu verkaufen.
Gegenwärtig ist sehr oft nur die Rede davon, dass dies und das ganz gewiss finanziert werden muss und wird. Und wie? Das Geld kommt aus der Steckdose, um mal einen Spruch aus einem anderen Politikbereich zu entwenden (der uns auch noch teuer zu stehen kommen wird).
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Geld, nicht wahr, ist einfach da, für alles. Im öffentlichen Haushalt geht das. Und es geht vor allem auch, solange die Haushälter, die Abgeordneten im Haushaltsausschuss, in den Parlamenten den Überblick behalten. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Manchmal sogar durch den Gang vors Gericht. Recht so.
[Für Unentschiedene geht es hier zum Wahl-O-Mat oder zum Berlin-O-Mat des Tagesspiegel]
Aber ob wir alle miteinander, als Gesellschaft, die Sache mit den Finanzen richtig unter Kontrolle haben? Sagen wir so: Im privaten Haushalt sollte bekanntermaßen tunlichst nur das ausgegeben werden, was an Geld wirklich vorhanden ist; und die Kredite, wo nötig, sollten sicher und rasch getilgt werden (können).
Schuldenquote weit über 50 Prozent
In öffentlichen Haushalten gilt das alles auch, aber eher ungefähr. Verschuldung gehört dazu, seit gefühlt ewigen Zeiten, sie ist enorm, wird mal ein bisschen weniger und dann wieder mehr, und alle denken: Die Wirtschaftskraft des Landes reißt es raus. Darum die Schuldenquote, die weit über 50 Prozent liegt, in Deutschland, in Europa, in den USA.
Und das wird immer so weitergehen? Mit Blick auf zukünftige Generationen kann einem schon schwummrig werden. Die Flutfolgen, die Corona-Folgen, die Fluchtfolgen, die Energiewendefolgen – Milliarden um Milliarden kommen zu den Milliarden noch hinzu, die es ohnehin bereits an Schulden gibt.
34.049 Euro je Einwohner
Hier leben 83 Millionen Menschen; laut Statistik betrugen 2016 die „Gesamten Schulden (beim öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich)“ je Einwohner 34.049 Euro. Weniger wird es in der Zwischenzeit nicht geworden sein.
Worüber zu reden wäre? Ob womöglich doch irgendwann, wenn alle die genannten neuen Schulden auch noch gemacht sind, ein Schuldenschnitt nötig wird. Das wäre die radikale Form der Reduzierung des öffentlichen Schuldenstandes – wenn davon ausgegangen wird, dass der Staat seinen Haushalt nicht aus eigener Kraft konsolidieren kann, insbesondere über das Erwirtschaften von Haushaltsüberschüssen. Und das wären dann doch eigentlich die wichtigen, brisanten Fragen für den Wahlkampf: Können wir das? Wie können wir das? Und wenn ja, wann?
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: