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Politik: NPD-Verbot: Unverzüglich überprüfen

Baden-Württembergs Sicherheitsbehörden sind hellhörig geworden. Offenkundig nehmen sie Vorwürfe ernst, verdeckte Ermittler der Kripo wie V-Leute des Verfassungsschutzes könnten Reden für NPD-Funktionäre geschrieben haben.

Von Frank Jansen

Baden-Württembergs Sicherheitsbehörden sind hellhörig geworden. Offenkundig nehmen sie Vorwürfe ernst, verdeckte Ermittler der Kripo wie V-Leute des Verfassungsschutzes könnten Reden für NPD-Funktionäre geschrieben haben. Dies behauptete vergangene Woche Dieter Berberich, Chef des baden-württembergischen Landesverbands der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er nimmt keine Silbe zurück. Nun haben sich die Präsidenten von Landeskriminalamt und Landesamt für Verfassungsschutz zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen: In einem gemeinsamen Schreiben bitten Franz-Hellmut Schürholz und Helmut Rannacher den Gewerkschafter, "schnellstmöglich die näheren Umstände mitzuteilen, damit wir unverzüglich in eine umfassende fach- und dienstaufsichtliche Überprüfung mit allen notwendigen Konsequenzen eintreten können".

Das am Dienstag abgesandte Schreiben, das der Tagesspiegel aus Sicherheitskreisen erhielt, wird von Berberich nicht kommentiert. Er sagt nur, von ihm seien keine Namen verdeckter Ermittler der Polizei zu bekommen, die bei der NPD mitmischen sollen. "Ich kriminalisiere doch nicht meine Kollegen", sagt Berberich, der selbst den Rang eines Ersten Kriminalhauptkommissars bekleidet. Ein Disziplinarverfahren hat er offenbar nicht zu fürchten, auch wenn der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz lautstark eine Maßregelung fordert und Berberich als "Oberwichtigtuer" beschimpft.

Niemand kann leugnen, dass sich verdeckte Ermittler der Polizei in Baden-Württembergs rechter Szene tummeln. Schließlich war der Fall "Axel Reichert" über Jahre hinweg in den Schlagzeilen zu finden. Im Januar 1996 leitete die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ein Verfahren gegen einen Polizeiobermeister ein, der unter dem falschen Namen "Axel Reichert" in der rechten Szene aktiv gewesen war. Von 1993 bis 1995 widmete sich der verdeckte Ermittler vor allem der "Kameradschaft Karlsruhe", die als eine der aktiveren Neonazigruppen gilt und immer noch existiert. Wie weit "Reichert" ging, um Straftaten zu verhüten oder aufzuklären, ist umstritten. Beispielsweise soll der Polizist im Oktober 1994 in einer Rede vor Neonazis den "Kampf gegen das Weltjudentum" propagiert und Adolf Hitler verherrlicht haben. Jedenfalls nahm die Staatsanwaltschaft Karlsruhe einen "Spiegel"-Bericht über "Reicherts" Umtriebe zum Anlass, den Beamten mit einer Serie von Vorwürfen zu konfrontieren: Strafvereitelung im Amt, Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, Volksverhetzung, Belohnung und Billigung von Straftaten, Bildung einer kriminellen Vereinigung und weiteres.

"Axel Reichert" blieb gegenüber der Staatsanwaltschaft stumm. Das Landeskriminalamt teilte nur mit, der verdeckte Ermittler habe nie gegen ein Gesetz verstoßen. Die zumeist rechtsextremen Zeugen verwickelten sich in Widersprüche. Ende 2000 wurde das Verfahren eingestellt. "Es ist nach wie vor möglich, dass Reichert sich schuldig gemacht hat", sagt der Karlsruher Oberstaatsanwalt Peter Zimmermann, "aber es war nicht nachweisbar."

Laut Landeskriminalamt werden seit 1992 "Verdeckte Ermittler Rechts" eingesetzt. Das bleibe notwendig, sagt ein Sprecher des LKA. Die Vorwürfe des Polizeigewerkschafters Berberich, Ermittler nähmen Einfluss auf die NPD, kommentiert er nicht.

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