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Grasnarbe. Trotz der Anerkennung für ihre Schlagfertigkeit – nach drei Monaten im Amt ist Imke Wübbenhorst die ewig gleichen Fragen leid.

© imago images / foto2press

Oberliga-Trainerin Imke Wübbenhorst: „Aber über Fußball will ja keiner reden“

Imke Wübbenhorst ist die erste und einzige Frau, die in den obersten fünf Ligen ein Männerteam trainiert. Doch bald sind die Herren wieder unter sich

Die Letzte macht das Licht aus. „Ich bin ja auch die einzige, die einen Schlüssel hat“, sagt Imke Wübbenhorst. Also läuft sie hinüber zu dem unscheinbaren Kasten neben dem Fußballplatz, lässt das Schloss schnappen, drückt auf einen Knopf, und die Flutlichtstrahler stellen ihre Arbeit ein.

Dunkelheit legt sich über Cloppenburg.

Das passt gut zur Gemütslage der Fußballtrainerin Imke Wübbenhorst an diesem nasskalten Frühlingstag. Zur Abschiedsstimmung auf dem holprigen Rasen des BV Cloppenburg.

Vor dem Training hat der Vorstand die Mannschaft darüber informiert, dass etwas zu Ende geht. Die gerade erst begonnene Geschichte der ersten und einzigen Frau, die in Deutschland im leistungsorientierten Fußball eine Männermannschaft trainiert. „Zur nächsten Saison kommt ein neuer“, hat der Vorstand gesagt. Frau Wübbenhorst wolle einen Lehrgang zum Fußballlehrer absolvieren und stünde dann nur eingeschränkt zur Verfügung, der Klub aber benötige Planungssicherheit. Fragen? Keine Fragen, auf Wiedersehen!

Schade eigentlich, sagt der Mannschaftskapitän Kristian Westerveld, ein Holländer, der zu Hause schon in der ersten Liga gespielt hat. „Imke hat das taktisch und methodisch wirklich sehr gut gemacht. Ihr Training war hervorragend. Für sie ist Fußball kein Hobby, sondern ein Beruf“, und wenn der Tabellenletzte Cloppenburg denn im Frühling aus der Oberliga Niedersachsen absteigen sollte, „dann war das bestimmt nicht ihre Schuld.“

„Die Arbeit macht riesigen Spaß“

Drei Monate lang war der holprige Rasenplatz im Stadion an der Friesoyther Straße das Epizentrum einer kickenden Emanzipationsbewegung. Reporter und Fernsehteams aus der ganzen Welt sind in das niedersächsische Städtchen zwischen Oldenburg und Osnabrück gekommen, um Imke Wübbenhorst bei der Arbeit zuzuschauen. Einer 30 Jahre jungen Frau mit wehendem blondem Haar, sie ruft knappe und deutliche Kommandos über den Platz, kontrolliert hier die Schussgenauigkeit, justiert dort die Viererkette.

„Die Arbeit mit den Jungs macht riesigen Spaß“, sagt Imke Wübbenhorst, als sie vom Flutlichtkasten hinüber zum Kabinengebäude schreitet. Nichts wie unter die Dusche, danach noch Einzelgespräche mit den Spielern, es gibt Diskussionsbedarf.

Es war ein langer Tag. Er hat früh angefangen am Gymnasium in Bad Zwischenahn, eine Autostunde entfernt von Cloppenburg. Imke Wübbenhorst unterrichtet Biologie und Sport, aber diesmal stand ein „Girls‘ and Boys‘ Day“ an, zum Aufbrechen von Rollenmustern, nach denen die Jungs sich früher wie selbstverständlich auf Karrieren als Piloten oder Ärzte vorbereiteten, während Mädchen Stewardessen und Krankenschwestern wurden.

König Fußball lässt keinen Platz für eine Königin

Lange vorbei. Frauen im Cockpit sind heute so selbstverständlich wie eine Bundeskanzlerin. Nur König Fußball lässt bis heute keinen Platz für eine Königin. Als die frühere Nationalspielerin Sissy Raith vor zehn Jahren die Männer ihres Heimatklubs zum Aufstieg in die Landesliga führte, bekam sie statt einer Prämie die Kündigung. Dem Magazin „11 Freunde“ hat sie mal erzählt, was der Klubchef zur Begründung anführte: „Er meinte, man könne einem hart arbeitenden Mann nicht zumuten, sich abends noch mit einer Frau rumschlagen zu müssen.“

An dieser Geisteshaltung hat sich nicht viel geändert. Wäre Imke Wübbenhorsts Engagement in Cloppenburg sonst so aufmerksam begleitet worden?

Der vollgepackte Tag hat Imke Wübbenhorst geholfen, auf andere Gedanken zu kommen. Am frühen Nachmittag ist sie vom Gymnasium über die A 29 zurück nach Cloppenburg gejagt. Abends um sieben steht das Training mit ihren Jungs an, aber vorher findet sich Zeit für ein Gespräch im „Café Genuss“ in der Innenstadt, „mitten in der Fußgängerzone, das finden Sie ganz leicht.“ Kurz vor halb fünf rauscht sie herein. „Lassen Sie uns nach hinten gehen, da haben wir unsere Ruhe“, vorbei an einem Tisch, an dem eine junge Frau im Trainingsanzug sitzt, eine Gastspielerin aus den USA. Sie steht auf und sagt: „I’m so sorry, Imke.“

Kurzes Nicken, Weitergehen, dann wirft Imke Wübbenhorst die Lederjacke über den Stuhl, bestellt ein Mineralwasser und atmet durch. Sie sagt: „Glauben Sie nicht, dass ich etwas Schlechtes über den Verein sage.“

Ein Quasi-Vollzeit-Job auf 450-Euro-Basis

Der BV Cloppenburg ist nicht die große weite Fußballwelt, aber er hat ihr eine Chance gegeben. Im Dezember, als der alte Trainer weiterzieht nach Delmenhorst und der seinerzeit amtierende Notvorstand des notorisch klammen Klubs mal wieder nicht weiß, wie es weitergehen soll.

Imke Wübbenhorst steht bereit. Jung, ehrgeizig und kompetent, sie trainiert die Cloppenburger Frauen in der zweiten Bundesliga, bemüht sich schon seit Längerem um ein Engagement im Männerfußball. „Können Sie alles vergessen“, erzählt sie, und dass es nicht um Kompetenz gehe, nicht um Videoanalysen oder die richtige Einstellung der Viererkette. Sondern immer nur um das Männer-und-Frauen-Ding.

Imke Wübbenhorst sagt, sie habe nichts gegen Frauenfußball, warum sollte sie auch, sie hat ja selbst lange genug gespielt. Auch im Frauenfußball beträgt die Spielzeit zweimal 45 Minuten, der Strafraum wird von weißen Kreidelinien markiert und am Ende gewinnt die Mannschaft, die mehr Tore geschossen hat als der Gegner. Die Frauen spielen das gleiche Spiel wie die Männer, sie spielen es nur nicht so schnell, nicht so körperbetont, nicht so dynamisch: Sie spielen nicht so gut. Und die Trainerin Imke Wübbenhorst will mit den Besten arbeiten.

Nichts gegen Frauenfußball

Sie weiß, dass sie den Job bei ihrem Heimatklub nicht ihren Fähigkeiten auf dem Trainingsplatz verdankt. Sie war eine billige Lösung, macht einen Quasi-Vollzeit-Job auf 450-Euro-Basis. Drei- bis viermal Training in der Woche, dazu Videoanalysen und Spielbeobachtungen, alles neben der Vorbereitung auf die Abitur-Prüfungen ihrer Schüler am Gymnasium in Bad Zwischenahn.

„Aber ich mache das wahnsinnig gern, ich liebe den Fußball“, und sie würde auch gern vom Fußball geliebt werden. Vom großen Fußball in den höheren Männerligen, von seinen Machern, von der Öffentlichkeit.

Als sie im Dezember anfing, sah es kurz danach aus, als könne das gelingen. Wo sonst finden sich zur Vorstellung des neuen Trainers eines Fünftliga-Abstiegskandidaten Kamerateams aus ganz Deutschland ein? Imke Wübbenhorst denkt sich nichts weiter dabei, als sie ein Reporter auf dämliche Fragen zum neuen Miteinander anspricht. Na klar, antwortet Wübbenhorst, ein Bekannter habe im Scherz gefragt, ob sie denn vor dem Betreten der Umkleidekabine eine Sirene einschalten werde, damit die Spieler schnell noch eine Hose überstreifen könnten. „Alles ganz harmlos, ich hab ihm gesagt: ,Du kennst mich doch, ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf.‘“

Das hat ihr viel Anerkennung für ihre Schlagfertigkeit beschert und Schlagzeilen von Istanbul bis Rio de Janeiro. Aber auch die Festlegung auf dieses Männer-und-Frauen-Ding. Imke Wübbenhorst – war das nicht die mit dem Schwanzlängenspruch? Im „Café Genuss“ sagt sie: „Ich hätte nie gedacht, dass diese Sache so weite Kreise zieht. Himmel, das ist Fußball!“, und war es nicht Oliver Kahn, der die männlichen Genitalien vor der Kamera gesellschaftsfähig gemacht hat?

Die Laune der Trainerin war schon mal besser

Doch was der Stammtisch den Männern als Witz durchgehen lässt, belegt er bei den Frauen mit schlüpfriger Konnotation. Gleich nach ihrem zweiten Spiel fragt ein Reporter vor laufender Kamera: „Nach welchen Kriterien haben Sie denn heute aufgestellt?“ Cloppenburg hatte 0 : 5 verloren, die Laune der Trainerin war schon mal besser, sie fragt zurück: „Pardon, was meinen Sie?“ – „Na, Sie haben doch so gewisse Kriterien, nach denen Sie aufstellen, erzählen Sie doch mal!“ Später entschuldigt sich der Mann, seine Redaktion habe ihn angewiesen, die Frage zu stellen.

Nach drei Monaten im Amt ist sie die Fragen leid. Sie würde lieber über Fußball reden, auch über die fünf sieglosen Spiele unter ihrer Regie. Das ist keine Erfolgsbilanz und doch schlüssig zu erklären mit der ausgedünnten Mannschaft. Ohne die schon ausgeplünderte A-Jugend könnte der BV Cloppenburg seinen Punktspiel-Verpflichtungen kaum noch nachkommen. „Aber über Fußball will ja keiner reden.“ Nur über schlüpfrige Kabinenwitze.

Wahrscheinlich würde sie heute nicht mehr so unbefangen daherplaudern, „aber damals wollte ich einfach authentisch sein, keine Rolle spielen. War das so verkehrt?“

Imke Wübbenhorst stellt das Mineralwasser zur Seite, in einer Stunde beginnt das Training, und selbstverständlich will sie als Erste da sein. Und außerdem kommt ja der Klubvorstand, um zu verkünden, was sie den Spielern schon am Abend zuvor in der gemeinsamen Chat-Gruppe verkündet hat. Dass nach der Saison ein neuer Trainer kommt. Offiziell wegen ihrer Bewerbung zum Fußballlehrerlehrgang. Die Spieler sagen, Imke Wübbenhorst wäre schon ganz gern geblieben.

„Kein schlechtes Wort über den Verein“

Von der Schule hat sie sich für ein Jahr beurlauben lassen und hätte gut und gern zwischen der Ausbildung in Köln und dem Trainingsplatz daheim pendeln können. So wie Cristian Fiél und Daniel Bierofka, die beiden haben am Donnerstag an der Sporthochschule ihr Diplom in Empfang genommen. Und davor selbstverständlich als Cheftrainer amtiert, Fiél beim Zweitligisten Dynamo Dresden, Bierofka eine Klasse tiefer bei 1860 München.

Warum geht das nicht beim BV Cloppenburg? Ein Reporter der lokalen „Nordwest-Zeitung“ deutet an, es gebe Probleme bei der Finanzierung der Spielergehälter, außerdem habe Imke Wübbenhorst immer wieder die schlechten Trainingsbedingungen kritisiert. Ist da etwas dran? Die Trainerin antwortet: „Ich habe doch schon gesagt, ich bin loyal. Kein schlechtes Wort über den Verein.“

Den Trainingsplatz teilt sie sich an diesem Abend mal wieder mit der Frauen-Mannschaft. Torschüsse, Sprints, Viererkette. Der Ball hoppelt über den Rasen, als habe sich eines der zahllosen freilaufenden Karnickel hier in ihm versteckt.

Nach eineinhalb Stunden ist Schluss. Mannschaftskapitän Kristian Westerveld erzählt kurz von der Ansprache des Vorstands und wie schade es sei, dass der Versuch mit der Trainerin so schnell wieder abgebrochen werde. „Wir hätten gern weiter mit Imke zusammengearbeitet, aber am Ende entscheidet der Vorstand. Ich wünsche ihr für ihre Karriere alles Gute, sie hat es verdient.“ Imke Wübbenhorst mag auch dazu nichts sagen. Und macht das Licht aus.

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