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Politik: Oberseminar am Aschermittwoch

Fernduell: Wie Kanzler Schröder in Köln auf die Angriffe von CSU-Chef Stoiber reagiert

Die Wirkungen der Bilder sind dem Mann vertraut. So steckt er mal die rechte und wenig später wieder die linke Hand in die Hosentasche, den Körper dreht er entsprechend und die Menschen im Saal haben den Eindruck, er spricht sie jeweils persönlich an. Zwischendurch grüßt er den einen und dann wieder den anderen, hat erst ein gutes Wort für Hans-Jürgen Wischnewski, dann für Norbert Burger, den früheren Oberbürgermeister der Stadt. Weil dem Mann nicht entgangen ist, dass sein Widersacher in Passau die Begrüßung der Honoratioren seiner Rede vorangestellt und dabei den üblichen Effekt der Langatmigkeit in Kauf genommen hat, macht er es anders und erwähnt sie bei geeigneten Textpassagen. So verschmelzen Wort und Bild zu einer Einheit, das Ganze zeigt einen erstaunlich gelassenen Mann.

Während sich sein Gegenüber im Süden der Republik auch mit Hilfe von derben Kraftausdrücken an ihm abgearbeitet hat, zeichnet er den Kontrast. „Wir sind bereit, auch am Aschermittwoch über Politik zu reden“, ruft Gerhard Schröder den gut 1400 Genossinnen und Genossen im Kölner Gürzenich zu, und an vielen Stellen hat man den Eindruck, er zelebriert ein politisches Oberseminar; das gilt zum Beispiel, als er Anleihen bei Willy Brandt und dessen Hinweisen zu einem gerechten Ausgleich der Interessen zwischen dem Norden und dem armen Süden der Welt nimmt.

Obwohl er nicht um Beifall buhlt, stehen sie am Ende auf und klatschen begeistert. Selbst dass er danach eher rasch entschwindet – „ich habe noch Termine in Berlin“ –, nehmen sie ihm nicht übel, zuvor hatte er sowohl Peer Steinbrück, den um seine Wiederwahl in Düsseldorf kämpfenden Ministerpräsidenten, sowie Harald Schartau, den NRW-Parteichef, an seine breite Brust gedrückt. „Ich weiß, dass man auf euch bauen muss“, hatte er den Genossen im größten Bundesland zugerufen, und bevor dem einen oder anderen der Atem ob dieser Offenheit stockte, fügte er rasch hinzu, „ich weiß auch, dass man auf euch bauen kann“.

In der Tat hatten ihn die Parteifreunde im größten Bundesland bei seinem Kampf für die umstrittene Agenda kräftig unterstützt, waren dafür aber, wie er, in der Gunst des Wahlvolkes so dramatisch abgestürzt, dass ein Erfolg bei den Landtagswahlen am 22. Mai fast in das Reich der Fabeln gehört hätte. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. „Das ist ein Stimmungswandel, wie ich ihn fast für unmöglich gehalten hätte“, gibt Peer Steinbrück offen zu.

Schröder selbst hat sich vorgenommen, die Strategie von Stoiber zu durchkreuzen und die Debatte um die Rechten nicht weiter anzuheizen. „Ich habe nichts dagegen, dass wir über Probleme in diesem Land reden, auch über Arbeitslosigkeit“, hält er dem Bayern entgegen, „aber uns Verschulden zu unterstellen, ist bösartig.“ Im Vorgespräch hatte er mit Schartau und Steinbrück darüber gesprochen, ob das Kalkül der Konservativen so weit geht, dass sie rechte Stimmengewinne in Kauf nehmen, um rot-grüne Erfolge in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu gefährden. Im Saal später belässt er es dann bei einer Ermahnung für seinen Kontrahenten Stoiber: „Sie erreichen nicht, was Sie möchten; Sie erreichen, dass die, die im braunen Sumpf fischen, sich jetzt die Hände reiben.“

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