zum Hauptinhalt
Giorgia Meloni von den „Fratelli d' Italia“ könnte Italiens erste Ministerpräsidentin werden.

© Reuters/Yara Nadi

Von Trump zu Meloni : Stark und falsch schlägt schwach und richtig

Politik als Performance. Wie es kommt, dass Menschen Parteien wählen, deren Inhalte sie ablehnen.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Italiener sind ziemlich normale Europäer. Zwei Drittel befürworten die Ehe für alle, mehr als zwei Drittel wollen am Recht auf Abtreibung festhalten, 81 Prozent sind der Ansicht, dass ihre Regierung striktere Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen muss. Ein Drittel der Italiener bezeichnen sich als Atheisten, ein Fünftel besucht regelmäßig die Messe.

Auch Schweden und Franzosen sind ziemlich normale Europäer – in kultureller Hinsicht mehrheitlich liberal, in religiöser Hinsicht eher säkular und kirchenfern. Trotzdem waren in diesen drei Ländern rechtsnationalistische Parteien in jüngsten Wahlen sehr erfolgreich. Deren Repräsentanten beschwören eine christlich-jüdische Tradition und konservative Werte, sie warnen vor Bedrohungen ihrer nationalen und kulturellen Identität.

Wie kommt es, dass Menschen Parteien wählen, deren Inhalte sie ablehnen? Bill Clinton, der ehemalige US-Präsident, hatte für seine Demokraten eine Mahnung parat: „Strong and wrong beats weak and right“ (stark und falsch schlägt schwach und richtig). Das war zwar lange vor dem Aufkommen von Donald Trump, wurde aber durch dessen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 bestätigt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Was ist der Unterschied zwischen Persönlichkeit und Charakter?

An Barack Obama schätzten seine Anhänger und monierten seine Kritiker vor allem dessen Politik. Bei Trump dagegen stand die Persönlichkeit im Vordergrund. In einer Gallup-Umfrage von 2017 wurden Trump-Gegner nach den Gründen ihrer Ablehnung befragt. Nur 16 Prozent gaben inhaltliche Gründe an. Bei Trump-Befürwortern waren es zwar 33 Prozent, aber auch bei ihnen dominierte der Eindruck des Kandidaten. „Hält seine Versprechen“, „gibt nicht nach“, „hat Führungsqualitäten“: Das waren die häufigsten Antworten.

Was ist der Unterschied zwischen der Persönlichkeit eines Menschen und dessen Charakter? Im Sprachgebrauch werden die Worte oft synonym gebraucht. Aber das ist nicht richtig. Die Persönlichkeit strahlt nach außen, lässt sich beobachten, ist wandelbar. Da geht es um Schlagfertigkeit und Temperament, Durchsetzungskraft und Energie, Neugier und soziales Verhalten.

Der Charakter wiederum, der Teil einer Persönlichkeit ist, strahlt nach innen, ist in der Regel unsichtbar und tritt nur in bestimmten Momenten hervor. Geprägt wird er durch geistige, ethische und weltanschauliche Grundeinstellungen. Der Charakter eines Menschen, so heißt es, zeigt sich in dem, was er tut, wenn keiner zusieht.

Was ist wichtiger – Persönlichkeit oder Charakter? Im privaten Bereich, im Rahmen der Familie und des Freundeskreises, gelten Charaktereigenschaften meist als oberste Richtschnur. Ehrlichkeit, Treue, Großzügigkeit, Integrität: Darauf kommt es eher an als auf Eloquenz, Auftritt und Präsentationsgeschick. Im politischen Bereich scheint es umgekehrt zu sein.

Da überwiegt in der Bilanz der Eindruck von Stärke, Kampfeswille und Mut. Unerfahrenheit gilt als Plus, weil Erfahrung mit Verstrickung gleichgesetzt wird. Trump und Meloni konnten über das „politische Establishment“ wettern, weil sie ihm nie angehört hatten.

Politik als Performance: Auf das Bedürfnis danach müssen sich liberale und soziale Bewegungen einstellen. Persönlichkeit schlägt Charakter, beide zusammen schlagen Inhalte. Das klingt ein wenig bitter, ist es auch, lässt sich aber nicht ändern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })