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Die norwegische Polizei um Vizechef Sveinung Sponheim steht in der Kritik.

© Reuters

Nach Attentat in Norwegen: Polizei weist Kritik wegen späten Eingreifens zurück

Die norwegische Polizei verteidigt sich gegen den Vorwurf eines zu späten Eingreifens bei dem Massaker auf der Insel Utøya. Unterdessen werden immer neue schreckliche Details bekannt.

Der Osloer Polizeichef Anstein Gjengedal sagte am Montagmorgen im TV-Sender NRK, die Antiterroreinheit „Delta“ sei am Freitag sofort nach dem ersten Alarmruf trotz der vorherigen Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel in Gang gesetzt worden: „Wir waren schnell da.“ Der Attentäter Anders Behring Breivik hatte für seinen Angriff auf etwa 600 Jugendliche eines sozialdemokratischen Ferienlagers eine Stunde Zeit, bis er festgenommen wurde. Die Eliteeinheit der Polizei war in Autos aus dem 45 Kilometer entfernten Oslo gekommen. Sie verlor nach Angaben mehrerer Medien auch Zeit, weil beim Übersetzen auf die kleine Fjordinsel Utøya ein Bootsmotor streikte.

Gjengedal sagte zur Entscheidung für Autos statt Hubschrauber als Transportmittel: „Es war einfach das Schnellste.“ Der als Transportmittel einzig denkbare Hubschrauber des norwegischen Militärs habe außerhalb Oslos gestanden und wäre deshalb alles in allem langsamer gewesen.

„Wir haben mehrere Jahre lang um einen eigenen Transporthubschrauber gebeten, aber ohne Erfolg“, sagte der Polizeichef von Norwegens Hauptstadt. Der einzige Überwachungshubschrauber der Polizei war für einen schnellen Flug nach Utøya nicht einsetzbar, weil das gesamte Personal Ferien machte.

Zur einstündigen Dauer des Massakers an Kindern und Jugendlichen auf der kleinen Insel im Tyrifjord sagte Gjengedal: „Es muss unbeschreiblich schrecklich für sie gewesen sein.“ Der 32-jährige Attentäter tötete mindestens 86 Menschen. Beim Eintreffen der Polizei legte er seine zwei Waffen nieder und ließ sich ohne Gegenwehr festnehmen.

In ganz Norwegen wird der überwiegend jugendlichen Opfer des beispiellosen Verbrechens um 12.00 Uhr mit einer Schweigeminute gedacht. Der rechtsradikale Breivik hatte in Verhören nach den beiden Anschlägen vom Freitag mit mindestens 93 Toten erklärt, dass er seine Motive vor dem Haftrichter darlegen wolle. Dafür wünsche er Öffentlichkeit. In seinem sogenannten Manifest im Internet hatte Breivik geschrieben, dass er die Zeit nach einer möglichen Festnahme als „Propagandaphase“ nutzen wolle.

Genau diese öffentliche Propaganda will die norwegische Polizei unbedingt verhindern. Wie die zuständige Polizeijuristin Carol Sandby am Montagmorgen in der Online-Zeitung „VG Nett“ ankündigte, soll beim heutigen ersten Osloer Haftprüfungstermin mit dem 32-Jährigen der Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt werden.

Breivik soll gegenüber seinem Anwalt Geir Lippestad den Wunsch geäußert haben, ihm eine Uniform für den Hafttermin zu beschaffen. Lippestad hatte im Fernsehen erklärt, es falle ihm insgesamt schwer, die Äußerungen Breiviks bei den Polizeiverhören „in vernünftiger Form“ wiederzugeben. Beim Hafttermin (frühestens 13.00 Uhr) im Osloer Amtsgericht wird die Verhängung von acht Wochen Untersuchungshaft gegen Breivik erwartet.

Mehr als zwei Tage nach dem Massaker auf der Fjordinsel Utøya mit mindestens 86 Toten und der Bombenexplosion in Oslo mit mindestens sieben Todesopfern kommen weiter immer neue schreckliche Details an die Öffentlichkeit. Der Chirurg Colin Poole vom Ringerike-Krankenhaus in Hønefoss gab an, dass der Attentäter offenbar spezielle Munition eingesetzt habe, um maximale Schäden bei seinen Opfern hervorzurufen.

Poole sagte der Zeitung „Dagbladet“ nach der Behandlung von 16 Opfern in seinem Krankenhaus: „Ich habe nie zuvor diesen Typ von Schusswunden gesehen.“ Die Projektile hätten sich offenbar in den Körpern der Getroffenen stark fragmentiert und seien nicht wieder ausgetreten. (dpa)

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