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Politik: Portugal will Abtreibungen erleichtern

Es war die Nacht der portugiesischen Frauen. Als der Sieg des „Sim“, des „Ja“ für ein liberales Abtreibungsrecht, klar war, feierten tausende Portugiesinnen in der Hauptstadt Lissabon ihren Erfolg.

Es war die Nacht der portugiesischen Frauen. Als der Sieg des „Sim“, des „Ja“ für ein liberales Abtreibungsrecht, klar war, feierten tausende Portugiesinnen in der Hauptstadt Lissabon ihren Erfolg. Sie stürmten in der Nacht zum Montag mit jenen grünen Fahnen auf die Straße, mit denen sie seit Wochen in der Öffentlichkeit für ein Ende der „Kriminalisierung“ geworben hatten. Viele umarmten sich, einige weinten.

Mehr als 59 Prozent hatten in der Volksbefragung für eine Aufhebung des bisherigen strikten Abtreibungsverbotes gestimmt, knapp 41 Prozent waren dagegen. „Das Volk hat klar gesprochen“, jubelte auch José Socrates (49), der sozialistische Regierungschef. „Der Schwangerschaftsabbruch in den ersten zehn Wochen wird nicht länger ein Delikt sein.“ Auch wenn die Beteiligung mit 43,6 Prozent sehr niedrig war und das Referendum für die Regierung nur bindend ist, wenn mehr als die Hälfte der Berechtigten ihre Stimme abgeben: Socrates, der für das Ja geworben hatte, leitet aus dem Ergebnis den „klaren“ Auftrag ab, im Parlament eine Abtreibungsreform auf den Weg zu bringen.

Die geplante Fristenlösung wird sich laut Socrates an den „guten Erfahrungen in anderen europäischen Ländern“ orientieren. Dazu soll auch gehören, dass abtreibungswillige Frauen von einem Psychologen beraten werden und dann eine dreitägige „Reflexionszeit“ einhalten müssen, um übereilte Entscheidungen zu vermeiden. Im Parlament haben Socrates’ Sozialisten, die einen sozialdemokratischen Kurs fahren, die absolute Mehrheit. Doch auch die große konservative Oppositionspartei gibt sich pragmatisch und will sich nicht sperren: „Der demokratische Wille muss respektiert werden.“ In der Zukunft, verkündet eine Sprecherin der „Ja-Plattform“, werden die Portugiesinnen „mit dem Respekt behandelt, den sie verdienen“. Bisher mussten portugiesische Frauen, welche die Schwangerschaft beenden wollten, heimlich oder im Ausland abtreiben. Der Abbruch war nur nach Vergewaltigung, Missbildung oder bei Lebensgefahr für die Mutter erlaubt.

Der Sieg der Abtreibungsbefürworter gilt auch als Bestätigung für den seit 2005 in Portugal regierenden Socrates. Die katholische Kirche, die gegen die Reform predigte und Abtreibung als „Variante der Todesstrafe“ bezeichnete hatte, verliert derweil auch in ihrer Hochburg Portugal an Einfluss. Immerhin 90 Prozent der Portugiesen sind katholisch.

Ralph Schulze[Madrid]

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