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Trügerische Ruhe. In Damaskus verfolgen Syrer die Rede von Staatschef Baschar al Assad. Er beteuerte, dass er weiter die Unterstützung seines Volkes genieße.

© AFP

Syrien: Präsident Assad will von Gewalt nichts wissen

Bei einer Rede in Damaskus zeigt sich Syriens Präsident Assad unbelehrbar – von der Krise in seinem Land will er nichts wissen.

Die Krise Syriens – nach der Lesart von Baschar al Assad handelt es sich dabei um eine Verschwörung fremder Mächte, das Werk von Terroristen, der Opfer einer Hirnwäsche und ausländischer Waffenschmuggler. Syriens Präsident erläuterte seine Sicht der Dinge, als er sich am Dienstag zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder in einer öffentlichen Rede an sein Volk wandte. Es war die vierte Ansprache Assads seit Beginn der Unruhen im März 2011. Und erneut gab sich der 46-jährige gelernte Augenarzt in seiner vom Staatsfernsehen übertragenen Rede ungerührt und unbelehrbar, während gleichzeitig in vielen Teilen des Landes die Demonstrationen gegen sein Regime weitergingen. In Daraa forderte die Menge, Assad aufzuhängen, in Homs rief sie „Weg mit dem Teufel“.

„Ich bin keiner, der Verantwortung abgibt, und ich herrsche mit der Unterstützung des Volkes“, erklärte dagegen der Despot unter dem Beifall seines handverlesenen Publikums in der Aula der Universität von Damaskus. Der Arabischen Liga warf er vor, sich in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen und gegen die arabischen Interessen zu handeln. „Wie sollen Länder, die selbst immense Probleme haben, Syrien Demokratie und Reformen lehren?“, fragte er ironisch. „Das ist wie ein Arzt, der seinen Patienten mit der Zigarette im Mund empfiehlt, das Rauchen aufzugeben.“ Seit dem 26. Dezember hat der arabische Staatenbund 165 Beobachter im Land, die den mit Damaskus vereinbarten Friedensplan überwachen sollen. Bisher werden die Beobachter von ihren offiziellen Begleitern systematisch am Kontakt mit Regimegegnern gehindert, auf mindestens vier Emissäre wurde bereits geschossen. Am Dienstag meldete die kuwaitische Nachrichtenagentur Kuna, dass bei einem Angriff regimetreuer Schabiha-Milizen zwei kuwaitische Beobachter leicht verletzt worden seien. Nachdem sie zunächst ins Krankenhaus gebracht worden seien, hätten sie ihre Arbeit fortsetzen können.

„Das ist keine Revolution, das ist Verrat“, polterte Assad in seiner gut 100-minütigen Rede und beschuldigte die Opposition, Diebe und Verräter zu sein. Kategorisch bestritt er, dass jemals ein Schießbefehl auf Demonstranten erteilt worden sei. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Unruhen sein Land geschwächt hätten. 1900 Schulen seien niedergebrannt und 30 Lehrer getötet worden. Fabriken seien zerstört und Straßenverbindungen unterbrochen, bei der Versorgung mit Gas und Benzin herrsche Mangel. „Wir werden gegen Terroristen und Irregeleitete mit eiserner Faust vorgehen“, drohte der bedrängte Despot und beschuldigte die internationalen Medien, das Ansehen Syriens in den Dreck zu ziehen. Anfang März werde per Referendum eine neue Verfassung mit Mehrparteiensystem verabschiedet, gefolgt von Wahlen im Mai, kündigte Assad dann an und schloss seine Rede mit den Worten: „Wir werden triumphieren.“

Derweil befasste sich der UN-Sicherheitsrat am Abend erneut mit der Lage in Syrien. Eine Resolution des Gremiums gegen das Assad-Regime wird seit Monaten durch Russland und China blockiert. Im Vorfeld der Beratungen in New York warnte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eindringlich vor einem Bürgerkrieg. „Die religiöse und ethnische Struktur in Syrien schlittert in Richtung Bürgerkrieg – das muss verhindert werden“, sagte der Regierungschef in Ankara. Dabei müsse die Türkei eine „führende Rolle spielen“, weil die Situation in Syrien auch das Land am Bosporus bedrohe. Ankara hat bereits Sanktionen gegen Damaskus verhängt, unterbindet alle iranischen Waffenlieferungen auf dem Landweg und beherbergt mehr als 10 000 Flüchtlinge in Zeltlagern nahe der 900 Kilometer langen Grenze. Die Arabische Liga will am 19. Januar bei ihrem Außenministertreffen in Kairo entscheiden, ob sie den Fall Syrien an den UN-Sicherheitsrat übergibt.

Unterdessen legte die Bürgerrechtsorganisation Avaaz erstmals eine detaillierte Dokumentation über Foltermethoden und Folterzentren des syrischen Regimes vor. Nach eigenen Angaben verfügen die Aktivisten über eine Namensliste von mindestens 617 Menschen, die zu Tode gequält wurden. Die Zahl der in Gefängnissen eingesperrten Regimegegner beziffern sie auf 37 000, insgesamt seien seit Beginn der Unruhen im März des vergangenen Jahres mehr als 69 000 Menschen festgenommen worden. Zu den üblichen Misshandlungen gehörten Elektroschocks und Schlafentzug. Demonstranten, die Fotos oder Videos gemacht hätten, seien Finger und Arme gebrochen worden.

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