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Probelauf der Union: Rentenpaket im Bundestag gefährdet – bis zu 20 Gegenstimmen möglich
Jens Spahn hatte noch vor der Fraktionssitzung der Union an die Rentenrebellen appelliert. Offenbar ohne Erfolg. Die nötige Mehrheit würde das Rentenpaket im Bundestag wohl verfehlen.
Stand:
Die Unionsfraktion hat sich bei einem Probelauf mit großer Mehrheit für das umstrittene Rentenpaket ausgesprochen. Allerdings: Die genaue Zahl der Nein-Stimmen und Enthaltungen blieb zunächst unklar. Der Probelauf sollte ein Meinungsbild vermitteln, wie die Unionsfraktion zum Rentenpaket steht.
Journalisten im Bundestag machten nach der Sitzung um kurz vor 17 Uhr unterschiedliche Angaben über die Anzahl der Nein-Stimmen. Sie reicht von zehn bis 20. Hinzukommen sollen fünf Enthaltungen. Die Unionsführung soll von zehn Nein-Stimmen sprechen, mehrere Abgeordnete von 20. Teilnehmer berichteten den Journalisten, dass die Abstimmung so schnell ging, dass es kaum möglich war, die genaue Zahl der Nein-Stimmen und Enthaltungen zu ermitteln.
Damit hätte die schwarz-rote Koalition vielleicht keine Mehrheit bei der entscheidenden Abstimmung zum Rentenpaket am Freitag im Bundestag. Die Koalition hat im Bundestag nur eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Stimmen also 13 Unionsabgeordnete dagegen oder enthalten sich, scheitert das Rentenpaket. Der politische Schaden für Kanzler Friedrich Merz und die Koalition wäre immens.
Ich sehe, wer klatscht.
Friedrich Merz in der Fraktionssitzung
Vor der Probeabstimmung hatte es den Angaben nach in der Fraktionssitzung eine Debatte über das Für und Wider des Rentenpakets gegeben, in der sich Kanzler Friedrich Merz und Innenminister Alexander Dobrindt vehement für eine Annahme aussprachen. Fraktionschef Jens Spahn forderte diejenigen Abgeordneten auf, die am Freitag mit Nein stimmen wollen, dies bis Mittwoch, 12 Uhr, bei der Fraktionsführung zu melden. Mit den Kritikern sollen dann Einzelgespräche geführt werden.
Spahn mahnte nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in der Fraktionssitzung auch, es gehe jetzt konkret um die Stabilität der Regierung. Bei einem Scheitern würden 90 Prozent der Unionswähler fragen, was man da mache. Er appellierte an die Abgeordneten, zusammenzustehen.
Friedrich Merz, so berichten es Teilnehmer, habe erklärt, er sehe, „wer klatscht“.

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Spahn hatte schon vor der Fraktionssitzung der Union am Dienstagnachmittag an die Kritiker aus den Reihen junger Abgeordneter appelliert. Sie sollten sich an ein Mehrheitsvotum der Fraktion für das umstrittene Rentenpaket der Koalition halten, forderte Spahn.
Spahn appellierte an Junge Gruppe
„Ich weiß, wie viele Kolleginnen und Kollegen mit sich ringen in der Abwägung unterschiedlicher Aspekte“, sagte der CDU-Politiker in Berlin. In der Sitzung werde aber ein übliches Stimmungsbild abgefragt, ob die Fraktion mehrheitlich Zustimmung empfiehlt.
„Wenn das der Fall ist, dann gibt es die klare Erwartung auch in unserer Arbeitsordnung, dass dann diejenigen, die es anders gesehen haben in dieser Abstimmung, dann gemeinsam mit der Mehrheit der Fraktion im Deutschen Bundestag abstimmen“, sagte Spahn.
Zusammengefasst bin ich schon zuversichtlich, dass wir das dann hinkriegen.
Steffen Bilger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Der Fraktionschef betonte mit Blick auf die inhaltlichen Einwände der Jungen Gruppe in der Fraktion: „Die Botschaft, dass Reformen notwendig sind, die ist angekommen.“ Jetzt gehe es aber „um mehr als diese Sachfrage“. Deutschland brauche eine stabile Koalition. „Wir sind diese Koalition. Eine Koalition mit knapper Mehrheit, ja, aber eine Koalition, die dann nach langen Debatten eben auch zu den notwendigen Entscheidungen kommt.“
Geht um „mehr als diese Sachfrage“
Zahlreiche CDU-Politiker hatten sich vor der Probeabstimmung optimistisch geäußert. So rechnet CDU-Politiker Steffen Bilger mit einer Zustimmung zu dem Rentenpaket am Freitag im Bundestag. „Zusammengefasst bin ich schon zuversichtlich, dass wir das dann hinkriegen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag in Berlin.
Die sogenannte Junge Gruppe, die den Gesetzentwurf über die Rentenhaltelinie von 48 Prozent des Durchschnittslohns bis 2031 weiter ablehnt, habe mit ihrer Kritik etliches erreicht, sagte Bilger. So werde die Rentenkommission nun 2026 früher ihre Vorschläge vorlegen, es gebe keine Tabus und die jungen Unionsabgeordneten seien selbst in der Kommission vertreten. Mit der Zusatzerklärung der Koalitionsspitzen zu einem Rentenpaket II gebe es die Zusage von CSU, CSU und SPD zu einer grundsätzlichen Reform.
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Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte am Dienstag an die Junge Gruppe und ihr Verantwortungsgefühl appelliert. „Jeder im Bundestag muss sich fragen, ob er sein Abstimmungsverhalten in Zeiten außenpolitischer Bedrohungen und Verunsicherung in unserem Land verantworten kann“, sagte der CDU-Politiker. „Niemand sollte riskieren, diese Regierung demokratischer Parteien bis an den Rand ihrer Existenz zu bringen.“
Günther sagte: „Für die Abgeordneten der Jungen Gruppe habe ich Verständnis und habe bereits mehrfach meine Sympathien für ihre Position geäußert. Aber mit der Rentenkommission und dem von der Bundesregierung vorgezogenen Ziel für ein zweites Rentenpaket hat die Koalition jetzt wichtige Schritte vorbereitet. Deshalb muss an dieser Stelle ein Haken gemacht werden, damit die Menschen sehen, dass die Koalition handlungsfähig ist.“
Der 32 Jahre alte, schleswig-holsteinische CDU-Abgeordnete Daniel Kölbl hat sich bereits öffentlich erklärt. „Ich möchte keine Regierungskrise. Deswegen werde ich mein Abstimmungsverhalten im Zweifel entgegen meiner inhaltlichen Überzeugung so ausrichten, dass meine Stimme nicht die entscheidende Stimme für ein Scheitern des Rentenpakets wäre“, sagte er dem „Spiegel“.
Die Junge Gruppe verfügt über 18 Abgeordnete, die schwarz-rote Mehrheit im Bundestag beträgt zwölf Stimmen. Während der Junge-Union-Vorsitzende Johannes Winkel bereits sein „Nein“ am Freitag öffentlich gemacht hat, geben andere Mitglieder an, nun doch dem Rentenpaket zuzustimmen. (ben, mit Agenturen)
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