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Die Unfallstelle in Limburg.

© Sascha Ditscher/dpa

Psychische Störung bei Limburger LKW-Fahrer?: Zweifel an islamistischem Anschlag mehren sich

Ein Syrer fährt mit einem gekaperten Lkw in Limburg in andere Autos. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen, das Motiv ist aber noch nicht ganz klar.

Von Frank Jansen

Die Bilder erinnern an den islamistischen Terroranschlag in Berlin. Ein Truck mit beschädigtem Führerhaus, mehrere demolierte Pkw, Trümmerteile auf der Fahrbahn – was sich am Montagabend in Limburg abgespielt hat, könnte eine Wiederholung des Anschlags von Anis Amri gewesen sein, wenn auch mit weniger fatalen Folgen.

Bei der Fahrt des von dem Syrer Omar Al-I. gekaperten Lkw wurden neun Menschen verletzt, darunter der Täter. Keiner befinde sich in einem kritischen Zustand, sagte am Dienstag Staatsanwalt Christian Hartwig, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Am Dienstag erließ ein Ermittlungsrichter am Amtsgericht Frankfurt Haftbefehl gegen Omar Al-I. Ihm werden "versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr" vorgeworfen.

In Berlin hingegen waren am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen gestorben, mehr als 50 wurden verletzt. Damals war der terroristische Hintergrund schnell klar, das ist in der hessischen Kleinstadt allerdings nicht so. „Berlin 2.0“ ist für Polizei und Staatsanwaltschaft keineswegs sicher.

„Terror ist ein mögliches Motiv“, sagte Hartwig dem Tagesspiegel. Ermittelt werde aber „in alle Richtungen“. In Sicherheitskreisen mehrten sich am Dienstag die Stimmen, die einen islamistischen Anschlag bezweifeln. Omar Al-I. sei vermutlich psychisch gestört, hieß es. Zeugen hätten berichtet, der Syrer habe einen verwirrten Eindruck gemacht und „Allah“ gemurmelt. Die Bundesanwaltschaft hielt sich zurück und beließ die Ermittlungen in Hessen. Ein „Staatsschutzcharakter“ der Tat sei fraglich, sagte ein Sprecher in Karlsruhe. Aber weder er noch die Behörden in Hessen wollten sich festlegen, ob die Lkw-Attacke von Omar Al-I. „nur“ Amok war oder doch ein Anschlag.

Der 32-jährige Syrer hatte in der Limburger Innenstadt gegen 17 Uhr 20 den Fahrer des Lkw aus dem Führerhaus gezerrt, als der Truck an einer roten Ampel stand. „Was willst du von mir?“, habe der Fahrer gefragt, berichtete die „Frankfurter Neue Presse“. Der Syrer habe kein Wort gesagt. Omar Al-I. setzte sich ans Steuer, fuhr los und rammte mehrere Autos. Sieben Pkw und ein Kleintransporter seien zusammengeschoben worden, sagte das hessische Landeskriminalamt. Die Verletzten waren Insassen der beschädigten Fahrzeuge.

Bundespolizisten nahmen den Täter fest

Drei zufällig anwesende, junge Bundespolizisten überwältigen den Täter, der sich wehrte. Die Polizeimeisteranwärter waren mit neun ebenfalls jungen Kollegen unterwegs, alle in Zivil. Die neun Polizisten kümmerten sich um die Verletzten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lobte den Einsatz. „Für dieses entschlossene und umsichtige Eingreifen danke ich Ihnen ausdrücklich“, schrieb Seehofer den Bundespolizisten.

Noch am Montag durchsuchte die Polizei, darunter ein Spezialeinsatzkommando, im Landkreis Limburg-Weilburg und im südhessischen Langen zwei Wohnungen. In Langen soll Omar Al-I. gewohnt haben. Die Beamten stellten Mobiltelefone und USB-Sticks sicher.

Verbindungen des Syrers zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ oder einer anderen islamistischen Gruppierung sind nicht bekannt. Der Syrer habe „nach den derzeitigen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden keine Verbindungen in die gewaltbereite islamistische Szene", sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). Das Motiv des Mannes sei unklar. Sicherheitskreise betonten, Omar Al-I. sei im Unterschied zu Amri nicht als terroristischer Gefährder eingestuft.

Der Polizei ist Omar Al-I. allerdings wegen unpolitischer Kriminalität bekannt. Sicherheitskreise sprachen von Diebstahl, Drogen, gefährlicher Körperverletzung und einem Sexualdelikt. Es ist zudem nicht vollständig geklärt, ob der Name des Syrers stimmt. Er habe in Deutschland keinen Reisepass vorgelegt, sondern nur einen Führerschein, hieß es. Bei dem Führerschein hätten sich keine Fälschungsmerkmale ergeben, dennoch müsse der Name nicht richtig sein.

Der Syrer reiste im November 2015, in der heißen Phase der sogenannten Flüchtlingskrise, in Deutschland ein. Einen Monat später wurde er offiziell als Flüchtling registriert. Im September 2016 stellte er in Gießen einen Antrag auf Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte ab, gewährte aber „subsidiären Schutz“. Omar Al-I. kann nicht nach Syrien abgeschoben werden, weil ihm dort offenbar Verfolgung droht.

Offen bleibt, ob bei dem Mann bereits Hinweise auf eine psychische Störung vorlagen. Sicherheitskreise vergleichen den Fall mit der dramatischen Geschichte, die sich im Oktober 2018 im Kölner Hauptbahnhof abspielte. Ein Syrer zündete eine Brandflasche und nahm eine Frau als Geisel. Ein Kommando der GSG 9 schoss auf den Täter und nahm ihn fest. Die Bundesanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen des Verdachts auf eine islamistische Tat auf. Im Dezember gab die Behörde jedoch das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Köln ab. Der Syrer gilt als psychisch gestört, Beweise für islamistischen Terror fanden sich nicht.

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