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Wer darfs denn sein? Georg Pazderski (AFD, hier links), Klaus Lederer (Linke), Ramona Pop (Grüne), Frank Henkel (CDU) und Michael Müller (SPD) - die Spitzenkandidaten für die Berliner Abgeordnetenhauswahl

© Sophia Kembowski/dpa

Berlin vor der Wahl: Ratlos vorm Rathaus

Die etablierten Parteien, in Regierung und Opposition, können froh sein, dass ihnen nur ein Teil der Nichtwähler einen Denkzettel verpasst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wem soll ich meine Stimme geben, und warum? Wenige Tage vor der Wahl haben viele Berliner noch keinen Schimmer, wie sie diese Frage beantworten sollen. Die große Ratlosigkeit hält seit Wochen an. Es gibt kein Thema, das in diesem merkwürdigen Wahlkampf die öffentliche Diskussion bestimmt. Selbst der bundesweite Streit um die Flüchtlingspolitik spielt im multikulturell geprägten Berlin keine herausragende Rolle. Man könnte meinen, die Hauptstädter haben resigniert, angesichts der vielen Probleme, die dem Senat über den Kopf gewachsen sind.

Die jüngsten Umfragen bestätigen, dass es in Berlin keine politische Kraft mehr gibt, der ein großer Teil der Wähler Vertrauen schenkt. Die SPD wird wohl unter 25 Prozent bleiben. Als stärkste Partei! Vielleicht reicht es sogar nur für 21 Prozent. Es mag sein, dass sich die Sozialdemokraten darüber freuen, weil es zum Machterhalt für fünf weitere Jahre reicht. Tatsächlich steht ein solches Ergebnis für Schwäche.

Das gilt übrigens nicht nur für die SPD. Wenn CDU, Grüne oder Linke nach der Wahl vorne lägen, so um die 20 Prozent, wären auch sie gut beraten, Demut zu zeigen. Auch ihnen trauen die Bürger nur sehr eingeschränkt zu, Berlin erfolgreich zu regieren. Wer angesichts dieser Vertrauenskrise noch jammert, dass die AfD im angeblich so links und freiheitlich gesinnten Berlin bei 15 Prozent landen könnte, hat nichts begriffen. Die etablierten Parteien, in Regierung und Opposition, können froh sein, dass ihnen nur ein Teil der Nichtwähler einen Denkzettel verpasst. Kämen alle Wutbürger und sozialen Verlierer ins Wahllokal, hätte die Demokratie ein ernsthaftes Problem.

Klare Botschaften sind in diesem Wahlkampf Mangelware

Soweit wird es am 18. September nicht kommen. Stattdessen wird es voraussichtlich eine rot-grün-rote Mehrheit geben. Mit einem Michael Müller an der Spitze, der als Regierender Bürgermeister nicht viel zustande brachte, aber anders als die Konkurrenz einen klaren Führungsanspruch formuliert. Quasi als Naturrecht der Berliner Sozialdemokratie. Dagegen haben Grüne und Linke die Rolle des Juniorpartners im neuen Berliner Senat von vornherein akzeptiert. Vor allem den Grünen ist die Frage, ob sie das Rote Rathaus erobern wollen, eher peinlich. Und die CDU? Sie ging mit einem Spitzenkandidaten Frank Henkel ins Rennen, der seinen Willen zur Macht in diesem Wahlkampf nur simuliert.

Die Bürger haben, nicht nur in Berlin, ein feines Gespür. Sie fühlen sich intuitiv zu Menschen hingezogen, die eine klare Botschaft und eine souveräne Ausstrahlung haben, und die auch überparteilich agieren. Solche Politiker können nicht nur bei Wahlen, sondern auch in der täglichen Mühsal des Regierens viel erreichen. In Berlin ist aber niemand in Sicht, der seiner Partei qua Persönlichkeit und Kompetenz zu einem hohen Bonus verhelfen könnte. Auch deshalb grübelt fast die Hälfte der Berliner immer noch, ob und wo das Kreuzchen am Wahlsonntag hingehört. Angesichts dessen kann die SPD nur darauf setzen, dass ihr Müller als kleinstes Übel Stimmen bringt.

Über die Postenverteilung wird schon seit Wochen intern verhandelt, auch wenn dies öffentlich geleugnet wird. Auch die sachpolitischen Gemeinsamkeiten im komplizierten Dreierbündnis werden bereits abgeklopft. Die Koalition in spe hofft jetzt nur noch darauf, dass ihre diskreten Pläne nicht durch ein peinliches Wahlergebnis belastet werden.

Alle Infos rund um die bevorstehende Abgeordnetenhauswahl auf unserer Sonderseite: wahl.tagesspiegel.de und auf Twitter: @tspwahl

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