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Fundort und Haus des getöteten Kasseler Regierungspräidenten Walter Lübcke.

© Reuters/ Ralph Orlowski

Update

Rechtsextremist gesteht Mord: Stephan E. erschoss Lübcke aus Hass auf dessen Flüchtlingspolitik

Der seit Mitte Juni inhaftierte Attentäter gibt den Anschlag auf Walter Lübcke zu. Bundesinnenminister Seehofer will stärkere Beobachtung der rechten Szene.

Von Frank Jansen

Im Mordfall Walter Lübcke hatte der Täter offenkundig ein rechtsextremes Motiv. Das gehe aus dem Geständnis hervor, dass Stephan E. am Dienstag im Polizeipräsidium Kassel ablegte, sagten Sicherheitskreise dem Tagesspiegel. Stephan E. habe zugegeben, ein wesentlicher Grund für die Tat sei eine Aussage des Kasseler Regierungspräsidenten bei einer Einwohnerversammlung im Oktober 2015 zur Unterbringung von Flüchtlingen gewesen. Lübcke hatte bei der Veranstaltung im Kasseler Vorort Lohfelden rechten Krakeelern gesagt, wenn sie die Werte des Zusammenlebens nicht teilten, könnten sie „Deutschland jederzeit verlassen“.

Die Flüchtlingsfeinde reagierten mit lautem Protest, der in einer Welle von Beschimpfungen und Drohungen gegen Lübcke in den sozialen Netzwerken mündete. Stephan E. sagte nun der Polizei, er sei bei der Einwohnerversammlung gewesen. Lübckes Spruch habe ihn dann „die ganze Zeit“ beschäftigt.

Die Sicherheitsbehörden fanden zudem heraus, dass E. in Chats mit anderen Rechtsextremisten Lübckes Auftritt als Beleg für die Behauptung sah, das deutsche Volk solle durch Ausländer ersetzt werden. Solche Aussagen und eine DNA-Spur von E. am Tatort sind belastende Indizien.
Der bereits wegen Gewalttaten vorbestrafte, 45-jährige Stephan E. erschoss Lübcke in der Nacht zum 2. Juni vor dessen Haus im nordhessischen Wolfhagen-Istha. Bei der Vernehmung gestand der Rechtsextremist, mit einem VW Caddy zum Tatort gefahren zu sein. Ein Zeuge hatte der Polizei berichtet, in der Tatnacht seien ein VW Caddy und ein weiteres Fahrzeug „in aggressiver Manier“ durch Wolfhagen-Istha gefahren.

Vorwurf: Mord aus Heimtücke

Stephan E. sagte jedoch am Dienstag der Polizei, er habe die Tat alleine begangen. Warum E. den Mord jetzt gestand, ist unklar. Nach der Festnahme am 15. Juni hatte er die Tat hartnäckig bestritten. Er wird von dem Szene-Anwalt Dirk Waldschmidt vertreten. Dieser bestätigte dem „Spiegel“ das Geständnis seines Mandaten. Weitere Angaben wollte der Anwalt dem Bericht zufolge nicht machen. Möglicherweise werde Stephan E. aber in nächster Zeit öffentliche Erklärungen abgeben. Waldschmidt, zeitweise stellvertretender Landeschef der hessischen NPD, hat bereits zahlreiche Akteure des rechtsextremen Spektrums juristisch vertreten. Beim NSU-Prozess in München trat er an der Seite eines Zeugen auf.

Generalbundesanwalt Peter Frank hat am Mittwoch den Innenausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung über das Geständnis von E. informiert. Dem Täter wird Mord aus Heimtücke vorgeworfen, weil Lübcke arglos auf seiner Terrasse saß und von dem Attentäter überrascht wurde. Die Bundesanwaltschaft sieht zudem „niedrige Beweggründe“, damit ist der rechtsextreme Hass von E. auf den Regierungspräsidenten gemeint.

Rote Linie für Demokraten

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) rief am Rande der Sondersitzung die Bevölkerung auf, sich klar von Extremisten zu distanzieren. „Mit Rechtsextremisten geht man keine Verbindungen ein“, sagte der Minister, „man gibt auch keine Sympathiebekundungen ab. Das ist für Demokraten eine rote Linie“. Seehofer spielte damit auf die Beteiligung von Normalbürgern an den Demonstrationen von Rechtsextremen und AfD-Politikern im Spätsommer 2018 in Chemnitz an.

Der Minister will zudem mit mehr Personal die „Analysefähigkeit“ der Polizeien und Nachrichtendienste des Bundes beim Thema Rechtsextremismus stärken. Das gilt auch für die Überwachung rechtsextremer Umtriebe im Internet, vor allem bei den sozialen Netzwerken.

Erheblicher Nachholbedarf

In der Sondersitzung des Innenausschusses hätten die Präsidenten des Bundeskriminalamts und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Holger Münch und Thomas Haldenwang, erheblichen Nachholbedarf bei der Beobachtung rechtsterroristischer Gefährder eingeräumt, hieß es in Abgeordnetenkreisen.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, sagte dem Tagesspiegel, es sei kaum nachvollziehbar, dass die Sicherheitsbehörden insgesamt 12.700 Rechtsextremisten als gewaltorientiert einstufen, aber nur 39 Personen als Gefährder und etwa 100 als potenzielle Unterstützer rechter Terroristen. Außerdem müssten rechtsextreme Gefährder mit derselben Intensität unter die Lupe genommen werden wie islamistische Gefährder, betonte Lischka. Da sei noch „viel Luft nach oben“. (mit dpa)

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