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Rede zur Vereidigung als 47. US-Präsident: Es geht Donald Trump nur um Stärke und Härte
Die Rede zur Amtseinführung war Trump pur. Das allein muss noch keine Sorge bereiten. Etwas anderes schon.

Stand:
War das eine würdige Rede zur Amtseinführung? War das vereinend? Brücken schlagend? Bestimmt nicht. Aber es war Donald Trump pur. Es war in einer Rede zu erkennen, was viele Amerikanerinnen und Amerikaner an ihm fasziniert. Und viele andere abstößt.
Donald Trump fühlt sich auf einer Mission, einer göttlichen. Das hört sich zumal in europäischen Ohren verrückt an, aber es entspricht seinem gigantomanischen Ego.
Mit ihm, das glaubt er offenbar wirklich, bricht das „goldene Zeitalter“ für Amerika an. Heilig ist ihm nichts, Härte ist ihm Gebot. Und so folgen seine ersten Ankündigungen und Maßnahmen genau dem, was er im Wahlkampf immer wieder beschworen hat.
Patriotisch, pathetisch, großspurig, all das steckte in seiner Rede, und es war das, was all jene, die ihn in Amerika gewählt haben, hören wollen. Er packt die Menschen bei ihrer Sehnsucht nach einfachen, klaren Botschaften. Komplexität wird auf ein Minimum reduziert.
Man kann auch sagen, er kommt aus dem Wahlkampfmodus nicht heraus. Aber so wie Trump tickt, will er das auch gar nicht. Für ihn ist Politik ein Dauerwahlkampf, eine ständige Show.
Ihm geht es nicht darum, ein geteiltes Land zu versöhnen. Auch wenn er den People of Color, den Hispanics und Asian-Americans für ihre Unterstützung gedankt hat. Er sprach auch einmal davon, dass man eine Nation sei. Nur strahlten diese Worte keine Wärme aus, sollten sie auch nicht. Trump geht es nur um Stärke. Seine eigene und die Amerikas.
Wie viel er politisch wirklich erreichen kann, ist völlig offen. Klar ist nur, er meint das, was er sagt und wie er es sagt, ernst. Darauf kann sich jeder einstellen. Das macht ihn einerseits für viele Menschen auch in Deutschland so bedrohlich und lässt viele hierzulande mit Sorge nach Amerika blicken.
Die internationale Politik muss gerüstet sein. Trump wird bei allen realpolitischen Hürden, die sich auch ihm stellen werden, keine Zeit verlieren. Und er wird keine Rücksicht nehmen.
Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar
Andererseits: Trump ist auch berechenbar. Denn er verhehlt nicht, worum es ihm geht: Amerikanische Interessen stehen an erster Stelle, egal ob wirtschaftlich oder geopolitisch; ökonomischer Erfolg geht ihm vor Klimaschutz; Kriminalität will er durch Abschiebung bekämpfen und gesellschaftspolitischen Fortschritt zurückschrauben.
Nagende Fragen für Europa
Kein Wort hat er über Europa, die Nato oder sonstige internationale Verbündete verloren. Nur Amerika und die Rückgewinnung einer faktisch vielleicht nie verloren gegangenen, aber gefühlt eingebüßten Kraft und Stärke.
Vieles davon kann man scharf kritisieren und sollte man auch. Aber die internationale Politik muss gerüstet sein. Trump wird bei allen realpolitischen Hürden, die sich auch ihm stellen werden, keine Zeit verlieren. Und er wird keine Rücksicht nehmen.
Trump – seine Worte, seine Rhetorik, seine politischen Ziele, das alles ist beunruhigend, gewiss. Es wäre einem wohler in diesen historischen Tagen, wenn er es auf der anderen Seite mit einem starken Europa zu tun hätte.
Wir Europäer müssen uns der nagenden Frage stellen, ob die Europäische Union, vor allem aber der deutsch-französische Motor, wieder stark genug werden können, um diesem politischen Hurrikan namens Trump zu begegnen. Darauf wird es für Europa mindestens so sehr ankommen wie auf Trump selbst.
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