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Politik: Reichstag eröffnet: "Berlin ist wieder die politische Metropole Deutschlands"

BERLIN .Mit einer Debatte über den Stand der deutschen Einheit hat am Montag der Bundestag bald zehn Jahre nach dem Fall der Mauer im renovierten Reichstag mit seiner Arbeit in Berlin begonnen.

BERLIN .Mit einer Debatte über den Stand der deutschen Einheit hat am Montag der Bundestag bald zehn Jahre nach dem Fall der Mauer im renovierten Reichstag mit seiner Arbeit in Berlin begonnen."Berlin ist von nun an die politische Metropole Deutschlands", sagte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, "das umgebaute Reichstagsgebäude ist ab heute Sitz des Deutschen Bundestags".Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, damit ende ein weiteres Provisorium der Geschichte.Der Umzug nach Berlin bedeute aber keinen Bruch in der Kontinuität deutscher Nachkriegs-Geschichte."Wir gehen ja nicht nach Berlin, weil wir in Bonn gescheitert wären", erklärte der Kanzler.

Zuvor hatte Thierse um 11 Uhr 24 symbolisch die Schlüssel für das sanierte Gebäude aus den Händen des Architekten Norman Foster in Empfang genommen.In seiner Eröffnungsrede wies Thierse auf den tragischen Zusammenhang zwischen dem Umzug der deutschen Politik von Bonn nach Berlin und dem Krieg im Kosovo hin.Beide hätten eine gemeinsame Ursache, sagte er, "das Ende des Kommunismus".Es habe den Deutschen das Glück der Einheit beschert, aber nicht, wie 1989/90 erhofft, "das goldene Zeitalter des Friedens, sondern neue Gewalt".

Wie der Kanzler bekräftigte auch Thierse die Kontinuität der deutschen Politik."Wir wollen keine neue Ära, keine andere Republik, sondern einen möglichst unaufgeregten, geradezu selbstverständlichen Wechsel von Bonn nach Berlin", sagte er.Die These, mit dem Umzug beginne eine neue "Berliner Republik", wies er ausdrücklich zurück.Westbindung, Antitotalitarismus und das Streben nach sozialem Ausgleich seien die Prinzipien, die in den vergangenen 50 Jahren zur Staatsräson der Bundesrepublik gehörten."Wir sollten an dieser Kontinuität festhalten, statt unsere Zeitrechnung künstlich in eine angeblich Bonner und eine angeblich Berliner Republik aufzuteilen."

Bundeskanzler Schröder ging noch einmal auf den Namensstreit um das Parlamentsgebäude ein.Es werde "mindestens im Volksmund noch lange Reichstag heißen", sagte er.CDU/CSU-Fraktionschef Schäuble erklärte, er habe nie verstanden, "warum wir dieses Gebäude mit seiner demokratischen, republikanischen Tradition nicht mehr Reichstag sollen nennen dürfen".Bundestagspräsident Thierse wollte das so nicht stehen lassen.Er beharrte auf dem Namenskompromiß, den die Fraktionen gefunden hatten: "Plenarbereich Reichstagsgebäude".SPD-Fraktionschef Peter Struck machte dem Ganzen mit den Worten ein Ende: "Wie dieses Haus genannt wird, wird das Volk entscheiden."

Der Kanzler sprach in der Debatte zur deutschen Einheit von einer "eindrucksvollen Aufbauleistung" in Ostdeutschland.Er räumte jedoch ein, daß es noch geraume Zeit dauern werde, bis sich eine gemeinsame Identität der Deutschen herausgebildet haben werde."Nicht nur für die Ostdeutschen macht es viel aus, daß Regierung und Parlament nicht mehr fern am Rhein, sondern relativ nahe an der Spree sind", sagte Schröder.CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble wandte sich gegen das "falsche Bild von Siegern und Besiegten".Die Bürger der ehemaligen DDR hätten 1989 Freiheit und Demokratie angestrebt sowie die soziale Marktwirtschaft und damit die Chancen auf höheren Wohlstand."Sie wollten gerade deshalb das DDR-System loswerden.Also sind sie nicht Besiegte, sondern Sieger", sagte er.

Während der für 600 Millionen Mark umgebaute Reichstag übergeben wurde, demonstrierten in der Nähe Bauarbeiter gegen Schwarzarbeit auf den Bundesbaustellen.Die Abgeordneten machten sich am Abend wieder auf den Weg nach Bonn.Dort absolviert der Bundestag bis Freitag seine reguläre Sitzungswoche.Bis zur Sommerpause im Juli wird er weiter in Bonn tagen, ab September dann nur noch in Berlin.CARSTEN GERMIS

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