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Rentenstreit in der Union: Der Kanzler hat alle in die Sackgasse manövriert
Die Fehlerkette im Streit um die Rente ist lang. Aber sie beginnt bei Kanzler Friedrich Merz. Dabei steht für alle viel auf dem Spiel.

Stand:
Für Kanzler Friedrich Merz gerät dieses Wochenende zum Desaster. Sein Auftritt beim Deutschlandtag der Jungen Union war begleitet von eisigem Schweigen der Delegierten. Nur hat er nicht bloß die Stimmung bei der Parteijugend falsch eingeschätzt, sondern in mittlerweile weiteren Teilen seiner Partei.
Das ist alles kein Einzelproblem des Kanzlers. Im Streit um die Frage, wie es mit der Rente nach 2031 weitergehen soll, haben sich alle Beteiligten in eine Sackgasse manövriert. Da ist zuallererst Friedrich Merz. Er bügelt erst die Kritik seiner eigenen Jugendorganisation, die bisher zum Fanlager des Kanzlers zählte, einfach weg. Um dann dafür zu werben, dass man einem Gesetz zustimmen solle, von dem er selbst nichts hält und von dem er hofft, dass es bald wieder wegreformiert wird. Das ist eine Botschaft, die in der Partei für Ratlosigkeit und Kopfschütteln sorgt.
Natürlich ist er gebunden an Beschlüsse in der Koalition. Und wenn er dieses Rentenpaket als Preis für eine schärfere Migrationspolitik an die SPD zahlen musste, dann kommt er da nicht ohne Weiteres raus. Das führt zur JU selbst. Die hat sich regelrecht berauscht an ihrem Widerstand gegen die Rentenpläne der Koalition. Nur will man am Ende verantwortlich dafür sein, dass nach der Ampel die nächste Koalition der Mitte scheitert und damit das Vertrauen der Menschen in die Stabilität des politischen Systems weiter sinkt?
Am Ende könnte es nur Verlierer geben!
Und in dem Zusammenhang kann man auch die SPD nicht aus der Verantwortung lassen. Dass Parteichef Lars Klingbeil am Wochenende betont, dass an dem Gesetz nicht gerüttelt werde und man erwarte, dass die Union dafür ihre Mehrheiten organisiere, ist machtpolitisch nachvollziehbar, und doch: Normalerweise geht ein Gesetz selten so aus dem Parlament raus, wie es hereingeht. Eigentlich ein normaler Vorgang in einer parlamentarischen Demokratie.
Am Ende droht es wieder nur Verlierer zu geben: Politiker, die als Umfaller dastehen werden, in die eine oder andere Richtung. Aber nicht, weil Medien nur in den Kategorien von Sieg oder Niederlage denken würden, sondern weil hier Kanzler, CDU-Parteibasis und SPD aus einer richtigen und wichtigen inhaltlichen Debatte eine Machtfrage gemacht haben. Und das vollkommen unnötigerweise.
Denn hier geht es um die richtige Frage, wie steigende Ausgaben für immer mehr Menschen in Rente von immer weniger Menschen in Arbeit finanziert werden sollen. Das betrifft nicht nur eine Generation, die gerade frisch ins Erwerbsleben eintritt, sondern letztlich alle Berufstätigen.
Und gleichzeitig muss für alle Rentnerinnen und Rentner sowie alle jene, die kurz vor dem Renteneintritt stehen, auch gewährleistet sein, dass sie mit ihrer Rente möglichst gut leben können. Es sollte nicht passieren, dass hier eine Gruppe gegen eine andere ausgespielt wird, sondern es muss ein gesellschaftlicher Konsens erarbeitet werden. Nur gelingt das nicht auf die Art und Weise, wie die politisch Verantwortlichen gerade agieren.
Der Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter „Empfehlung der Woche“. Jeden Sonntag kommentiert Chefredakteur Christian Tretbar in dem Newsletter das politische Geschehen und gibt den Abonnentinnen und Abonnenten Leseempfehlungen.
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