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© dpa

Kassenzusatzbeitrag: Riskante Operation

Der geplante Kassenzusatzbeitrag von acht Euro bringt Wettbewerbshüter auf – und sogar die Arbeitgeber.

Die Kanzlerin muss richtig ärgerlich gewesen sein. Es sei doch „völlig ausgeschlossen“, soll sie Teilnehmern zufolge in der Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag gewettert haben, „dass sich alle Krankenkassen plötzlich in derselben Situation befinden“. Gleich acht Versicherer bemerken zum gleichen Zeitpunkt, dass ihnen demnächst das Geld ausgeht und ihnen jetzt nur noch mit einem Zusatzbeitrag von genau acht Euro im Monat zu helfen ist? Welch ein Zufall! Und ein Wechsel, so verkünden die gemeinsam auftretenden Funktionäre frohgemut, lohne sich für die Versicherten auch deshalb nicht, weil die Konkurrenz in nächster Zeit ohnehin nachziehe. „In anderen Fällen“, so schimpfte Angela Merkel, „wäre das ein Fall für das Kartellamt.“

Man werde sich die Sache „genau anschauen“, erwiderte dessen Sprecher prompt am Mittwoch. Allerdings, und darauf hatte Merkel mit ihrer Relativierung angespielt, sind die Kartellwächter nach derzeitigem Gesetzesstand für die öffentlich-rechtlichen Krankenkassen nicht wirklich zuständig. Wirtschaftsministerium und Bundeskartellamt fordern das zwar seit Jahren mit der Begründung, dass man doch den Wettbewerb im Gesundheitswesen befördern wolle. Aber laut Sozialgesetzbuch, Paragraf 69, sind die Kassen bislang vom dazugehörigen Wettbewerbsrecht ausgenommen.

Wenn es um Kassenfusionen oder eben um Beitragserhöhungen geht, prüft und genehmigt de iure eine andere Behörde: das Bundesversicherungsamt (BVA). Auch bei den Bonnern hat die gemeinsame und offensichtlich abgesprochene Ankündigung der Kassen aber bereits Misstrauen erregt. Man werde „sehr intensiv prüfen, ob die geforderten acht Euro dem jeweiligen Bedarf angemessen sind“, sagte BVA-Sprecher Tobias Schmidt dem Tagesspiegel. Und dabei werde man sich „natürlich auch den Fälligkeitszeitpunkt angucken“. Angesichts dieser strengen Prüfung sei „die Verabredung auf ein gemeinsames Vorgehen nicht viel wert“, versicherte der Sprecher. Und eine bloße Absichtsbekundung lasse sich selbstverwalteten Körperschaften wohl schwerlich verbieten. Nach Schmidts Worten liegen dem BVA bislang fünf Anträge auf Zusatzbeiträge vor.

Zusatzbeiträge seien zwar geltende Rechtslage, gab Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Mittwoch zu. Die Kassen dürften es sich aber „auch nicht einfach damit machen“. Verbraucherschützer forderten ebenfalls eine genaue Prüfung. Mit Zusatzbeiträgen würden die Kosten schon einseitig auf die Versicherten abgewälzt, argumentieren sie. Wenn sie nun aber auch noch flächendeckend erhoben würden, nehme man den Versicherten jede Chance auf Ausweichmanöver.

Am schärfsten gingen ausgerechnet diejenigen mit den Kassen ins Gericht, denen die Zusatzbeiträge fürs Erste weitere Kostenerhöhungen ersparen: die Arbeitgeber. Die Aufsichtsbehörden müssten „kartellartige Verhaltensweisen von Anfang an unterbinden“, forderte BdA-Präsident Dieter Hundt. Für ihn ist ganz klar: Die gemeinsame Ankündigung von Zusatzbeiträgen ist„wettbewerbsfeindlich“.

Die Kassen dagegen wehren sich gegen den Vorwurf der Preisabsprache. „Wir sehen keine kartellrechtlichen Schwierigkeiten“, sagte der Sprecher des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung, Florian Lanz. Die nahezu einheitliche Höhe von acht Euro etwa sei die logische Konsequenz aus der rechtlichen Vorgabe, wonach jeder höhere Betrag mit Einkommensprüfungen und damit einem weit höheren Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Der Vorwurf von Kartellabsprachen sei „unsinnig“, findet auch der Chef des Ersatzkassenverbands, Thomas Ballast. Anders als Wirtschaftsunternehmen dürften die Kassen ja keine Gewinne machen. „Es geht hier also nicht um Profitmaximierung.“ Allerdings fehlten in diesem Jahr nun mal vier Milliarden Euro, „die kann man jetzt nicht wegreden“. Und dass sich die Zusatzbeitrags-Ankündigungen nun konzentrierten, liege daran, dass die bundesweit tätigen Kassen noch im Januar ihren Aufsichtsbehörden die Haushaltsplanung für 2010 vorzulegen hätten. „Die Entscheidungen müssen also zwangsläufig jetzt getroffen werden.“

 Rainer Woratschka

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