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Tut die Bundesregierung genug, um afghanische Ortskräfte zu schützen? Im Bild ein Dolmetscher der Bundeswehr im Jahr 2011 in Kundus.

© dpa

Roderich Kiesewetter: "Das können wir uns nicht noch einmal leisten"

Im Juni forderten die Grünen im Bundestag großzügige Hilfe für afghanische Ortskräfte. CDU-Abgeordneter Kiesewetter fand das richtig - und stimmte dagegen. Ein Interview. 

Von Hans Monath

Roderich Kiesewetter (57) ist Bundestagsabgeordneter der CDU aus Baden-Württemberg und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Vor seiner politischen Karriere war er Oberst der Bundeswehr und unter anderem im Nato-Hauptquartier Europa eingesetzt.

Herr Kiesewetter, warum haben Sie am 23. Juni im Bundestag gegen den Antrag der Grünen gestimmt, der eine großzügige Aufnahme der afghanischen Ortskräfte in Deutschland forderte?

Weil es die gute Regel gibt, dass die Koalitionsfraktionen im Parlament gemeinsam gegen Oppositionsanträge stimmen. Sonst könnte man nicht regieren. Der zweite Grund ist, dass die Grünen im Hinblick auf Afghanistan kein glaubwürdiger Partner sind, wie ihre völlig uneinheitliche Haltung zu den Bundeswehreinsätzen dort zeigt.

Sie haben nun in einem Tweet erklärt, die Ablehnung des Antrags sei ein „großer und gravierender Fehler“ gewesen.

Weil der Antrag inhaltlich völlig berechtigt war. Außen- und Verteidigungspolitiker der Union haben bereits im Mai auch im Gespräch mit der Verteidigungsministerin und dem Außenminister darauf gedrängt, die Ortskräfte so bald wie möglich herauszuholen. Das Verteidigungsministerium hat das unterstützt, aber nicht alle Ministerien in dem gleichen Sinne. Leider haben die Wirrnisse zwischen Auswärtigem Amt und Innenministerium eine schnelle Umsetzung verzögert, da wurden viele bürokratischen Hindernisse aufgebaut. Eine Mehrheit für den Antrag der Grünen hätte das beschleunigt.

Auf dem Weg zum Flughafen von Kabul müssen afghanische Ortskräfte hohe Hürden überwinden - etwa die Checkpoints der Taliban.
Auf dem Weg zum Flughafen von Kabul müssen afghanische Ortskräfte hohe Hürden überwinden - etwa die Checkpoints der Taliban.

© dpa

Die Union ist der Garant innerer Sicherheit. Ist es da nicht richtig, wenn das Innenministerium jeden genau prüft, der ins Land kommen will?

Für Sicherheitsfragen habe ich Verständnis. Aber wir haben nie verstanden, warum Ortskräfte nicht antragsberechtigt waren, wenn sie vor 2013 für die Bundeswehr oder deutsche Sicherheitsbehörden gearbeitet hatten. Unsere Ortskräfte haben Anspruch auf Fürsorge. Wir hatten erwartet, dass unsere Ministerien genaue Datensätze über ehemalige Mitarbeiter in ihrem Verantwortungsbereich erstellen, die im Ernstfall abgerufen und zusammengeführt werden können. Dem war aber nicht so. Statt diesen Menschen schnell zu helfen, hat man sich in bürokratischen Diskursen verfangen.

Roderich Kiesewetter ist Bundestagsabgeordneter der CDU und ehemaliger Generalstabsoffizier der Bundeswehr.
Roderich Kiesewetter ist Bundestagsabgeordneter der CDU und ehemaliger Generalstabsoffizier der Bundeswehr.

© Kai-Uwe Heinrich

Was ist Ihre Schlussfolgerung daraus?

Es muss alles auf den Prüfstand – genau wie es unser Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) gefordert hat. Der schlechte Umgang mit den Ortskräften in Afghanistan gefährdet das Vertrauen in deutsche Auslandseinsätze. Wie will man etwa Menschen in Mali davon überzeugen, für die Deutschen zu arbeiten, wenn sie wissen, dass dieses Land ihnen nicht helfen wird, wenn ihr Leben im Ernstfall in Gefahr ist?

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Ist die Fehleinschätzung der Lage in Afghanistan auch ein gravierender Fehler?

Die bittere Lehre daraus ist: Das können wir uns nicht noch einmal leisten. Wir müssen Kompetenzen in einem Bundessicherheitsrat bündeln und wissenschaftlichen Rat für die Exekutive organisieren. Das wird eine wichtige Aufgabe für die neue Bundesregierung.

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