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Der Schweizer Gianni Infantino ist neuer Fifa-Präsident.

© Enno Leanza/dpa

Weltfußballverband: Rundum neu: Die Fifa reformiert sich

Die Fifa hat einen neuen Präsidenten: Gianni Infantino. Gelingt ihm der Neuanfang mit dem Fußballverband? Die Erwartungen sind hoch - und er hat sie nicht gedämpft.

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Immer wieder klopfte sich Gianni Infantino mit der rechten Hand auf die linke Brust, dorthin, wo sein Herz ist. Es war seine Sieger-Geste. Der Schweizer wurde am Freitagabend in Zürich zum neuen Fifa-Präsidenten gewählt. Er ist der Nachfolger des gesperrten Joseph Blatters. „Jetzt beginnt eine neue Ära“, sagte der 45-Jährige – und bezog dies auch auf die Reformen, die beim Fifa-Kongress mit großer Mehrheit beschlossen wurden. Bei dem skandalumtobten Fußball-Weltverband soll nun alles besser werden.

Wer ist der neue Fifa-Präsident?

Gianni Infantino kannten die meisten Fußballfans, wenn überhaupt, bisher als Losfee des europäischen Verbandes Uefa. Vor der Champions League und Europameisterschaften zog der Generalsekretär Kugeln aus Töpfen und moderierte mehrsprachig. Als sein Chef Michel Platini, der eigentlich zum Weltverbands- Präsidenten aufsteigen wollte, für Korruptionsvergehen gesperrt wurde, sollte seine rechte Hand die Fifa-Krone holen. Der Sohn italienischer Einwanderer, der im gleichen Kanton aufwuchs wie Blatter, hat sich über 15 Jahre in der Uefa hochgedient und kennt viele Leute im Weltfußball. Im Wahlkampf sammelte der studierte Jurist prominente Ex-Fußballer als Befürworter um sich, deren Aura auf den Technokraten abfärben sollte.

Von der Uefa mit einem Wahlkampfbudget von 500 000 Euro ausgestattet, reiste er um die Welt und umwarb die Verbände. Dabei scheute er sich weder vor Pathos noch vor Wahlversprechen. Sein Programm liest sich wie aus dem Lehrbuch für Stimmenfang: mehr Entwicklungsgelder für die kleinen Verbände, die in der Fifa die Mehrheit stellen, ein von 32 auf 40 Teams aufgeblähtes WM-Turnier und ein Generalsekretär aus einem anderen Kontinent. Ihm gelang der Spagat, sich als erfahrener Manager und Erneuerer zugleich zu verkaufen. Dafür hat er nun drei Jahre Zeit.

Wie hat Infantino gewonnen?

Eigentlich galt Scheich Salman Al Chalifa aus Bahrain als Favorit. Der Präsident des asiatischen Verbandes sprach davon, ihm seien mehr als 100 Stimmen sicher. Doch Infantino hatte in den vergangenen Wochen stark aufgeholt. Als auf Salman im ersten Wahlgang nur 85 Stimmen entfielen und auf Infantino 88, sattelten offenbar viele Funktionäre um. Immer wieder war zu hören, dass rassistische Vorurteile gegenüber dem Araber im Altmännerbund Fifa eine größere Rolle spielten als dessen mutmaßliche Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen.

Eine Schlüsselrolle spielte offenbar Prinz Ali bin Al Hussein: Der jordanische Königssohn holte im ersten Wahlgang überraschend 27 Stimmen. In Zürich ging das Gerücht um, Prinz Ali habe seinen Unterstützern vor dem zweiten Wahlgang gesagt, sie sollten jetzt für Infantino stimmen. Die USA hätten sich dafür ausgesprochen. Das könnte die große Wählerbewegung von 27 Stimmen zum Schweizer teilweise erklären. Zudem dürften ihm Stimmen der übrigen chancenlosen Kandidaten zugeflogen sein: Der Franzose Jerome Champagne bekam im ersten Wahlgang sieben und im zweiten null Stimmen, der Südafrikaner Tokyo Sexwale zog sich noch vor der Wahl zurück – es wurde spekuliert, er habe einen Deal mit Infantino geschlossen.

Wie sind die Reaktionen auf die Wahl?

Einer der Ersten, die Infantino gratulierten, war sein Vorgänger. Auch wenn Joseph Blatter wegen seiner Sperre nicht beim Kongress dabei sein durfte, ließ er verlautbaren: „Infantino ist ein würdiger Nachfolger. Er hat alle Qualitäten, meine Arbeit fortzusetzen und die Fifa wieder zu stabilisieren.“ Sein größter Konkurrent bei der Wahl, Scheich Salman, verknüpfte seine Glückwünsche mit einer Forderung: „Die neue Fifa muss integrativer sein und die Unterschiede im Weltfußball reflektieren.“

Positiver äußerten sich die Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der sich lange vor der Wahl auf Infantino festgelegt hatte: „Infantino ist ein Manager des Fußballs. Allerdings muss er seinen Worten nun auch Taten folgen lassen“, betonte Reinhard Grindel, Schatzmeister und designierter DFB-Präsident: „Er ist der Richtige, um die Reformen umzusetzen.“ DFB-Interimspräsident Rainer Koch zeigte sich „erleichtert, dass Europa weiter Einfluss im Weltfußball behält“. Auch Wolfgang Niersbach, ehemaliger DFB-Chef und derzeit noch Mitglied im Exekutivkomitee der Fifa und der Uefa, lobte Infantino: „Ich traue ihm zu, dass ihm die Wende in Sachen Ansehen und Glaubwürdigkeit der Fifa gelingt. Es war ein guter Tag, vielleicht sogar ein historischer.“

Auch das Presse-Echo nach der Wahl war - zumindestens in Europa - überwiegend positiv.

Wie geht es jetzt weiter?

Eine von Infantinos dringlichsten Aufgaben ist es, einen neuen Generalsekretär zu bestimmen – Jerome Valcke war wegen Korruptionsverdacht von der Fifa entlassen worden. „Ich möchte einen starken Generalsekretär – und es wird kein Europäer sein“, sagte Infantino nach der Wahl. „Ich habe schon ein paar Ideen, aber es wird ja auch eine Entscheidung des Fifa-Rats.“ Zudem muss er sich darum kümmern, die beschlossenen Reformen zügig umzusetzen: Spätestens in 60 Tagen müssen sie in Kraft treten. Auch an seinem Versprechen, die WM von 32 auf 40 Teams zu erweitern, wird er gemessen werden.

Und die Finanzen muss der neue Präsident angehen: Denn die Krise der Fifa hat auch ihre sonst so glänzende finanzielle Situation verschlechtert. Der Finanzdirektor Markus Kattner sprach von einem derzeit zu erwartenden Defizit von 550 Millionen US-Dollar bis 2018. Infantino ist in diesem Punkt sehr optimistisch: „Die Fifa muss sich da keine Sorgen machen“, sagte er. Man könne den Rückgang bei den Einnahmen mit seinen Finanzversprechen unter einen Hut bringen, betonte er. „Bei Einnahmen von fünf Milliarden Dollar ist es kein Problem, 1,2 Milliarden den Verbanden zu geben. Da müssen alle anderen Kosten eben zweite Priorität sein.“

Worum geht es bei den Reformen?

Dem Exekutivkomitee der Fifa wird die Macht entrissen. Statt des 25-köpfigen Regierungsgremiums entsteht ein neuer Fifa-Rat. Dieser umfasst 36 Mitglieder, hat aber weniger Befugnisse – vergleichbar einem Aufsichtsrat. So soll deutlich zwischen den politischen und den geschäftsführenden Aufgaben getrennt werden. Um das Operative kümmert sich nur noch das Generalsekretariat.

Auch der Präsident verliert an Einfluss. Er soll eher repräsentative Aufgaben übernehmen, die Zahl der Amtszeiten wird auf drei mal vier Jahre beschränkt. Überdies tut die Fifa etwas für mehr Transparenz: Die Vergütungen der Funktionäre sollen veröffentlicht, ihre Vita vor Amtsantritt genauer durchleuchtet werden. Und es gibt nun eine Frauenquote: Im Rat soll pro Kontinent mindestens eine Frau sitzen.

Wie wurde darüber abgestimmt?

Eine Dreiviertelmehrheit wurde benötigt, um die Reformen zu bewilligen – die wurde deutlich erreicht: Insgesamt stimmten 179 von 207 Verbänden für die Reformen, 22 lehnten sie ab, sechs gaben kein Votum ab. Das entspricht einer Zustimmung von 89 Prozent. Interimspräsident Issa Hayatou zeigte sich zufrieden: „Die Fifa wird dadurch robuster und transparenter“, sagte der Kameruner. „Die Fifa wird nun von allen respektiert werden.“

Was wird jetzt anders?

Vor allem könnte die Fifa mit den Reformen die US-Behörden etwas beruhigen. Die mahnen beim Weltverband einen Neuanfang an. Ermittlungen wird die Fifa aber nicht stoppen können – dazu ist noch zu viel aufzuarbeiten. Das Reformpaket ist außerdem als Zeichen an die Öffentlichkeit zu verstehen: Die Fifa will die Fußballfans wieder für sich gewinnen. Deshalb hatte die Führung intensiv für die Reformen geworben.

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