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Bericht über Desinformationskampagnen.

© IMAGO/ZUMA Press Wire/IMAGO/Sachelle Babbar/Bearbeitung Tagesspiegel

Russische Desinformationskampagnen: Wird der Bund der Gefahr gerecht?

Fake News, Bots, Fälschungen – Russland versucht die deutschen Debatten zu beeinflussen. Wie gut kann sich der Bund dagegen wehren? Drei Fachleute ordnen ein.

Stand:

Seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine haben Desinformationskampagnen von russischer Seite nach Angaben des Bundes massiv zugenommen. Über falsche Konten und Bots in sozialen Netzwerken, gefälschte Nachrichtenseiten oder Fake News versuchen russische Akteure die öffentliche Debatte in Deutschland zu beeinflussen.

Wie ist der Bund darauf vorbereitet – und reichen die Maßnahmen aus? Drei Experten ordnen die Lage ein.

In unserer Kolumne „3 auf 1“ beantworten Fachleute aktuelle Fragen – alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Es gleicht einem Katz-und-Maus-Spiel

Seit zwei Jahren manipuliert eine russische Desinformationskampagne die öffentliche Meinung – mit Propaganda-Blogs und Kopien von Medienseiten wie dem Spiegel. Forderungen nach einer Sperrung dieser Fake-Webseiten liegen nahe. Doch so einfach ist es nicht, weder technisch noch rechtlich.

Das zeigte schon das Verbot des russischen Auslandsmediums RT 2022. Die Inhalte wurden in der EU verboten und alle Webseiten gesperrt. Doch RT legte einfach Webseiten-Kopien an und schlug den Behörden ein Schnippchen. Wie Correctiv berichtete, liegen den zuständigen Stellen in Deutschland detaillierte Informationen über die Infrastruktur der Desinformationskampagne vor. Eingegriffen wird dennoch nicht.

Eine erst im Juni gegründete Zentralstelle beim Bundesinnenministerium beschränkt sich offenbar auf Analysen. Man setzt auf die Verpflichtung der Tech-Plattformen, die Verbreitung der Fakes zu stoppen – doch die Bemühungen gleichen einem Katz-und-Maus-Spiel. Noch scheinen die staatlichen Stellen kein wirksames Mittel gegen russische Desinformation gefunden zu haben.


Priorität der Regierung sollte sein, Fakten darzulegen

Russlands digitale Desinformationskampagnen sind nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht wirksam. Menschen ändern in der Regel nicht ihre Meinung und schon gar nicht ihr Wahlverhalten, wenn sie mit solchen Inhalten konfrontiert werden.

Desinformation ist trotzdem nicht harmlos. Unsere aktuelle Studie zeigt, in jedem westlichen Land gibt es eine Minderheit von Bürgern, die das bestehende politische System ablehnen. Diese kleine Minderheit könnte sich radikalisieren, wenn sie mit falschen Informationen konfrontiert wird.

Abgesehen von wirklich illegalen Inhalten im Netz, die zum Beispiel volksverhetzend sind, sollten Regierungen sich jedoch zurückhalten und nicht gegen irreführende Beiträge in sozialen Medien vorgehen. Sie machen sich angreifbar, wenn sie den Eindruck erwecken, gegen die freie Meinungsäußerung vorzugehen und verspielen Vertrauen ihrer Bürger.

Auch ist es in vielen Fällen nicht möglich, tatsächlich festzustellen, was „wahr“ ist. Ihre Priorität sollte sein, die Fakten darzulegen und ihr eigenes Handeln glaubwürdig zu kommunizieren.


Desinformationen vollständig zu eliminieren, ist unmöglich

Russische Desinformationskampagnen versuchen nicht mit Logik zu überzeugen. Sie instrumentalisieren Emotionen: Ukrainer:innen, die uns den Wohlstand klauen würden oder eine Welle an Obdachlosigkeit, die uns bevorstehe.

Angst ist eine starke Emotion, die evolutionär veranlagt ist, um uns vor Gefahren zu schützen. Die Schattenseite: Sie kann den Verstand lähmen und sich verselbstständigen. Angst vor Armut, Veränderung, dem Fremden – Russland hört hin und befeuert diese Ängste.

Um einen Schutzschild gegen diese Manipulation aufzubauen, muss die Politik mehr auf diese Ängste hören und reagieren, statt sie moralisch abzuwerten oder weiter zu schüren. Fakten, europäische Zusammenarbeit und die Aufdeckung russischer Netzwerke sind weitere Maßnahmen gegen die Propaganda.

Klar ist aber: Desinformationen vollständig zu eliminieren, ist unmöglich. Um der Gefahr nachhaltig gerecht zu werden, muss das Ziel sein, durch Aufklärung und Vertrauen die Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen.

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