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Altenburg in Thüringen: Sachen packen und weg - die Neonazis kommen

Altenburg-Nord ist am Freitag ein Stadtteil im Ausnahmezustand. Einen Tag vor dem sogenannten NPD-"Fest der Völker", zu dem tausend Neonazis aus ganz Deutschland in der thüringischen Stadt aufmarschieren wollen, herrscht bei den Bewohnern in dem Plattenbauviertel nicht nur Angst - sondern auch Wut.

Auf einem Parkplatz inmitten eines dicht bewohnten Gebietes wollen die Neonazis ihre Bands spielen und Redner aus ganz Europa ihre Parolen verbreiten lassen. Die Politiker geben sich machtlos und verweisen auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit.

Die Altenburger schimpfen auf die NPD-Anhänger, die sich ausgerechnet ihre Stadt für den Aufmarsch ausgesucht hätten. Ihre Wut richtet sich aber auch gegen die Politiker, die diese Veranstaltung nicht verhindert hätten: "Unser Oberbürgermeister und auch der Landrat sind nicht da, nur ihre Vertreter. Das kann ich nicht verstehen", sagt Klaus Reinhardt. Er steht neben dem großen Parkplatz und beobachtet die Polizisten, die Handzettel mit Hinweisen an die Bevölkerung verteilen.

1500 Gegendemonstranten erwartet

Schon am Freitag ist das Viertel voller Polizisten. Am Samstag werden sie mit einem massiven Aufgebot überall in Altenburg präsent sein und die Neonazis von den 1500 erwarteten Gegendemonstranten abschirmen, die zur gleichen Zeit gegen den Aufmarsch der Rechten protestieren wollen.

"Da ist sehr viel Angst unter den Leuten hier", erzählt Petra Mohaupt, die ihren Bäckereistand in Altenburg-Nord am Samstag nicht wie gewohnt öffnen wird. "So etwas in einem Wohngebiet zuzulassen, ist eigentlich unverantwortlich", ärgert sich die Frau. Eine Kundin habe ihr erzählt, dass sie ihre kleine Tochter vorsorglich zu Verwandten außerhalb der Stadt gegeben habe, damit die Kleine nichts von dem Nazi-Treffen mitbekommt. Auch die Supermärkte des Stadtteils wollten am Samstag nicht öffnen.

Sachen gepackt, Stadt verlassen

Für die Bewohner kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Sollte es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen linken und rechten Demonstranten kommen, haben sie nicht nur Angst um ihre Gesundheit, sondern auch um ihre Autos. Denn dort, wo sie sonst parken, sollten am Samstag rechte Bands spielen.

"Nervig" finden der 26-jährige Stefan Otto und seine drei Jahre jüngere Freundin Franziska Ködderitzsch den Run auf die wenigen verbliebenen Parkplätze. Viele Bewohner hätten deshalb schon am Freitag ihre Sachen gepackt und seien mitsamt Auto aus der Stadt geflüchtet.

Altenburg muss Berlins Fehler ausbaden

Der für die Genehmigung des Neonazi-Festes hauptverantwortliche Landrat des Altenburger Landes, Sieghardt Rydzewski (parteilos), sei derzeit auf Reisen in den USA, heißt es. Und auch der Oberbürgermeister der 37.000-Einwohner-Stadt, Michael Wolf (SPD), sei verhindert.

Der Sprecher des Thüringer Innenministeriums, Bernd Edelmann, versucht derweil zu erklären, warum die Nazis trotz des massiven Protestes aus verschiedenen politischen Richtungen in Altenburg aufmarschieren dürfen: "Das 'Fest der Völker' wurde von einem Gericht als politische Veranstaltung festgestellt. Deshalb besteht das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, und es ist damit nicht zu verbieten."

Auch der Stadt seien die Hände gebunden, argumentiert deren Sprecher Christian Bettels. Man habe versucht, die Veranstaltung der Rechten zu verhindern. Der Landrat aber habe klargestellt, dass das Problem bei den Bundespolitikern in Berlin liege, die die NPD noch nicht verboten hätten. Nun müsse in Altenburg das ausgebadet werden, was in Berlin versäumt wurde. (sba/ddp)

Susann Huster[ddp]

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