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Politik: Scharping: Der Krieg im Kosovo kann noch lange dauern

BELGRAD/BERLIN/WASHINGTON/BRÜSSEL (Tsp).Die NATO setzt nach der Gefangennahme von drei US-Soldaten durch die jugoslawische Armee ihre Luftangriffe mit noch größerer Intensität fort.

BELGRAD/BERLIN/WASHINGTON/BRÜSSEL (Tsp).Die NATO setzt nach der Gefangennahme von drei US-Soldaten durch die jugoslawische Armee ihre Luftangriffe mit noch größerer Intensität fort.US-Präsident Clinton warnte Belgrad vor dem angekündigten Kriegsgerichtsprozeß gegen die Soldaten.Serbischen Angaben zufolge wurden am Freitag Ermittlungen gegen die Gefangenen aufgenommen.Unterdessen nahm der Flüchtlingsstrom aus dem Kosovo immer dramatischere Ausmaße an.Im Tagesspiegel äußerte Verteidigungsminister Scharping (SPD) die Hoffnung, daß der NATO-Militäreinsatz nicht noch Wochen oder Monate dauere.Es sei jedoch "besser, sich auf eine längere Dauer einzustellen".Als Konsequenz der Einsätze soll die Bundeswehr laut Scharping schneller umgebaut werden als geplant.

Scharping sagte in dem Interview, es gebe "Engpässe etwa in der Logistik und im Sanitätswesen"."Ganz sicher" müssen nach Angaben des SPD-Politikers die bisher auf 50 000 Mann veranschlagten "Krisenreaktionskräfte" für internationale Einsätze vergrößert werden.Es gelte, sie "den neuen Herausforderungen" anzupassen.Auf eine Zahl wollte Scharping sich nicht festlegen.Dies sei eine Frage "der Zuordnung bestimmter Verbände, ihrer Führungsfähigkeit und der Beseitigung von Engpässen".

Scharping wandte sich gegen "die Erwartung, man könne im Verteidigungsetat mehr sparen".Dies übersehe "die gewachsene Bedeutung Deutschlands".Mit ihren Wehrausgaben liege die Bundesrepublik unter den 19 NATO-Staaten "nur an 14.Stelle, gleichauf mit Belgien und Spanien, gerade noch vor Luxemburg und Island".

Zu einer Ausweitung des deutschen Engagements im Kosovo wollte Scharping sich nicht äußern.Er wolle "keine Spekulationen in die Welt setzen".Nach dem "heute übersehbaren Stand" werde die NATO "mit den eingesetzten Mitteln in der Lage sein, ihre Ziele zu erreichen".Die Bundeswehr bewege sich "im Rahmen der Erwartungen des Bündnisses und auf der festen Grundlage der vom Bundestag erteilten Mandate".

Unterdessen kündigte Clinton an, daß die Militäraktion "mit Entschlossenheit" fortgesetzt werde.Die NATO startete von ihrem norditalienischen Stützpunkt Aviano aus eine neue Angriffswelle gegen Jugoslawien.Vor allem sollen die Luftangriffe gegen kämpfende Einheiten Jugoslawiens im Kosovo bei der verbesserten Wetterlage verstärkt werden, verlautete aus Militärkreisen in Brüssel.Ungeachtet eines Aufrufs von Papst Johannes Paul II., zu den Kar- und Ostertagen die Kampfhandlungen einzustellen, wurden die NATO-Luftangriffe in der Nacht zum Karfreitag unvermindert fortgesetzt.Auch deutsche Tornado-Kampfflugzeuge waren wieder im Einsatz.

Milosevic ernannte unterdessen in der kleineren jugoslawischen Teilrepublik Montenegro einen neuen Befehlshaber der Armee.Insbesondere die britische Regierung äußerte die Besorgnis, daß Milosevic einen Putsch in Montenegro plane, um seinen dortigen Gegenspieler, Präsident Milo Djukanovic, durch einen Mann seiner Wahl zu ersetzen.

Im dem Konflikt versorgt Rußland die jugoslawische Führung möglicherweise mit Spionageinformationen.Die russische Aufklärung liefere Belgrad Material von Spionagesatelliten und anderen Überwachungsanlagen, berichtete eine Moskauer Wirtschaftszeitung.Dabei würden auch präzise Angaben über die Flugrouten und Typen der eingesetzten Nato-Kampfjets gegeben, hieß es.Am Karfreitag entsandte Rußland das Aufklärungsschiff "Liman" ins Mittelmeer.Es lief am Morgen aus dem Schwarzmeerhafen Sewastopol aus.

Bundespräsident Roman Herzog stellte sich unterdessen in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme zu den Militär-Aktionen klar hinter den Lufteinsatz der Bundeswehr.Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) sprach dagegen von einer Mißachtung internationalen Rechtes durch die NATO.Eine deutsche Beteiligung an den Angriffen sei nicht zu rechtfertigen.Die Grünen forderten die Bundesregierung am Karfreitag zu einer neuen diplomatischen Offensive auf.

Die drei von serbischen Einheiten festgenommenen US-Soldaten waren nach Angaben der Vereinten Nationen in New York nicht mehr im UN-Auftrag in Mazedonien.UN-Sprecher Fred Eckhard sagte, die drei Amerikaner seien "fälschlich" als Mitglieder einer UN-Friedenstruppe bezeichnet worden.Das Mandat der UN-Truppen in Mazedonien sei am 28.Februar durch ein Veto Chinas im Weltsicherheitsrat beendet worden.Die Soldaten hätten daher unter US-Befehl gestanden.

Der Flüchtlingsstrom aus dem Kosovo hat nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) "alptraumhafte Ausmaße" angenommen.Die Zahl der seit Beginn der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien geflohenen Menschen stieg nach Schätzungen von UNHCR-Sprecherin Judith Kumin bis Karfreitag auf 190 000.Allein am Donnerstag seien 40 000 Flüchtlinge an der mazedonischen Grenze angekommen, 30 000 hielten sich bereits im Land auf.120 000 Kosovo-Albaner befänden sich in Albanien.

Unter dem Eindruck des Flüchtlingsstroms kündigte Bundesaußenminister Joschka Fischer einen EU-Sonderrat an, der Hilfsmaßnahmen zur Stabilisierung der Nachbarstaaten Jugoslawiens beschließen soll.Wie Fischer am Donnerstag abend nach Abschluß der Balkankonferenz von zwölf Außenministern aus der EU und Nachbarstaaten Jugoslawiens mitteilte, soll der Sonderrat möglichst bald nach Ostern zusammenkommen.

Mit Gedenken an die Kriegsopfer auf dem Balkan, der Mahnung zur Umkehr und einem Aufruf zu Spenden für die Kosovo- Flüchtlinge haben die Christen in Deutschland den Karfreitag begangen.Viele Bischöfe stellten den Krieg um das Kosovo in den Mittelpunkt ihrer Predigten.In einem gemeinsamen Appell zu Ostern riefen die beiden großen Kirchen an Gründonnerstag eindringlich zu Spenden für die Kosovo-Flüchtlinge auf.

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