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Politik: Schiavos Sterben entsetzt vor allem Behinderte in den USA

Seit sie als Kleinkind an Polio erkrankte, kann Eleanor Smith sich nur mit einem Rollstuhl fortbewegen. Nun ist sie erwachsen.

Seit sie als Kleinkind an Polio erkrankte, kann Eleanor Smith sich nur mit einem Rollstuhl fortbewegen. Nun ist sie erwachsen. Sie beschreibt sich als liberale, lesbische Agnostikerin. Doch der Fall Schiavo hat sie an ihren Überzeugungen zweifeln lassen. Lieber mögen „rechte Christen über mein Schicksal entscheiden als Bürgerrechtler“, sagt sie. Stimmen von behinderten Amerikanern zum Sterben Schiavos zitierte am Freitag das „Wall Street Journal“. Obgleich eine Mehrheit im Land es richtig fand, die Wachkomapatientin sterben zu lassen, kommt diese Gruppe zu einem anderen Urteil.

Offenbar denkt ein Nichtbehinderter beim Anblick von Schiavo: Ich möchte so nicht leben. Ein Behinderter dagegen denkt: Ich möchte so nicht getötet werden. Umfragen und Wahlergebnisse deuten nun auf einen starken Rechtsschwenk der Behinderten in den USA hin. Im Jahr 2000 votierten noch 56 Prozent von ihnen für den Demokraten Al Gore, nur 38 Prozent für George W. Bush. Vier Jahre später erhielt Bush knapp 53 Prozent, John Kerry kam auf 46. Kein Wunder, dass einige prominente Liberale, wie Jesse Jackson, Ralph Nader oder Iowas Senator Tom Harkin, sich auf Schiavos Seite schlugen. Sie befürchten, dass den Liberalen das Image des Anwalts der Schwächsten in der Gesellschaft verloren gehen könnte.

Die langfristigen politischen Folgen der Kontroverse sind allerdings nicht absehbar. Konservative Kräfte erhöhten umgehend den Druck auf die Justiz. Der Fall zeige, „wie viel Macht die Gerichte den legislativen und exekutiven Kräften im Land geraubt“ hätten, wetterte Tony Perkins, Präsident des Family Research Council. Es gehe nicht an, dass die „Macht über Leben und Tod“ allein Richtern in die Hand gegeben werde. In den USA werden Bundesrichter vom Präsidenten ernannt, auf Lebenszeit. Bush wird es sich künftig noch weniger leisten können, moderate Personen zu nominieren. Das wiederum verschärft den Streit im Senat, von dem die Nominierungen bestätigt werden müssen.

Unterdessen eskaliert auch der Streit über die Beisetzung Schiavos. Ihr Ehemann Michael will den Leichnam nach der Obduktion einäschern und an einem unbekannten Ort nahe der Stadt Philadelphia beerdigen, sagt dessen Bruder, Scott Schiavo. Dadurch solle verhindert werden, dass Terris Eltern und Geschwister aus der Zeremonie ein Medienspektakel machen. Terris Eltern, Bob und Mary Schindler, wollen ihre Tochter in Florida christlich beisetzen. Eine Gedenkmesse wird voraussichtlich Dienstag oder Mittwoch kommender Woche stattfinden.

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