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Blick auf die Fensterfront eines Dresdener Hochhauses.

© Ralf Hirschberger/dpa

Wohnungspolitik in Großstädten: Schuldenfrei – und ohne Wohnungen

Ringen um Wohnraum: Dresden verkaufte sein kommunales Eigentum, Wien setzt traditionell auf soziale Lösungen.

Um die erste und vielleicht einzige schuldenfreie deutsche Großstadt zu werden, verkaufte Dresden im Jahr 2006 seinen kompletten kommunalen Wohnungsbestand. Damals stimmte im Stadtrat eine Mehrheit aus CDU, FDP, Teilen der PDS, der Bürgerfraktion und einem SPD-Stadtrat für den Verkauf an das amerikanische Investunternehmen Fortress.

Für 1,7 Milliarden Euro wechselten 48.000 Wohnungen den Besitzer. Fortress übernahm die Schulden der Woba und zahlte 982 Millionen Euro an die Stadt. Diese wurde auf einen Schlag schuldenfrei. Zuvor hatte es Diskussionen über einen sozialen Kahlschlag gegeben, wenn Dresden sich nicht entschulde – aber auch über die Auswirkungen eines Verkaufs der Woba. Die spätere Linke zerstritt sich darüber so, dass sich die Stadtratsfraktion spaltete. Später wurde klar, dass der Verkauf eine wohnungspolitische Fehlentscheidung war.

Durch Zuzug, Geburtenboom und eine florierende Wirtschaft wurden Wohnungen knapp. Die Mieten in Dresden steigen seit Jahren und auch die Vonovia, neuer Eigentümer der ehemaligen städtischen Wohnungen, zog die Preise immer mehr an. Dazu kamen Konflikte mit Mietern. Der Mieterverein Dresden wirft der Vonovia, vor, Mieten zu steigern, wann immer es geht.

Mittlerweile hat der Stadtrat, mit den Stimmen von Linken, Grünen und SPD entschieden, eine neue städtische Wohnungsgesellschaft aufzubauen. Die Wohnen in Dresden (WID) wurde im September 2017 gegründet, die ersten neuen Sozialwohnungen sollen im zweiten Halbjahr 2019 fertiggestellt sein.

Wien erbaute "Burgen des Proletariats"

Wohnen ist in Wien noch kostengünstig. Der Grund dafür liegt in der jüngeren Geschichte der Stadt, die seit 1918 – unterbrochen durch Faschismus und Nationalsozialismus – sozialdemokratisch regiert wird. In der Ersten Republik hatten die Wiener „Austromarxisten“ ihr Augenmerk auf die Verbesserung der Wohnverhältnisse gelegt.

Bis 1934 wurden rund 65000 Gemeindewohnungen gebaut, architektonisch hochwertige „Burgen des Proletariats“ – finanziert durch Steuern auf Luxusgüter, Hausbedienstete und Grundbesitz. Nach 1945 wurde der Wohnungsbau durch die Gemeinde Wien fortgesetzt, wenn auch nicht mehr mit so klassenkämpferischer Finanzierung.

Heute lebt ein Drittel der 1,9 Millionen Einwohner Wiens in Gemeindebauten, ein weiteres Drittel in von der Stadt geförderten Wohnungen, errichtet von gemeinnützigen Genossenschaften. Diese dürfen nur eine „Kostenmiete“ verlangen, die abgesehen von einer geringen Eigenkapitalverzinsung keine Rendite abwirft. Künftig wird die Stadt bei der Umwidmung von Grundstücken in Bauland sogar eine bestimmte Anzahl geförderter Wohnungen vorschreiben.

Die relativ geringen Mieten in von der Gemeinde errichteten oder geförderten Wohnungen drücken die Preise am freien Markt. Bei der Vergabe der Wohnungen ist die Einkommensgrenze hoch angesetzt, um soziale Durchmischung zu gewährleisten. Eine Familie mit zwei Kindern kann bis zu 84000 Euro Jahreseinkommen haben und dennoch eine geförderte Wohnung bekommen.

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Andreas Weller, Herbert Lackner

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