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Schüler und Schülerinnen einer 12. Klasse.

© Sven Hoppe/dpa

Zu wenig Unterricht für Berliner Schüler: Corona-Hygieneplan macht sinnvolle Bildung unmöglich

Noch immer müssen viele Kinder auf Kita und Schule verzichten. Das hat so, wie es organisiert ist, keinen Sinn. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Saara von Alten

Die Schulpflicht und das Recht auf Bildung waren einmal hohe Güter in Deutschland. In den letzten Wochen scheint das in Vergessenheit geraten zu sein. Weil das Coronavirus weiter unter uns ist, muss noch immer ein Großteil der Kinder auf den Schulbesuch und die Kita verzichten, viele müssen mit Teilzeitunterricht leben. Das hat so, wie es jetzt organisiert ist, keinen Sinn.

Ob die im März erfolgte Schulschließung aus epidemiologischer Sicht gerechtfertigt war, werden Forscher abschließend erst in der Zukunft bewerten können. Welche Rolle Kinder bei der Verbreitung von Sars-CoV-2 spielen, ist weiter unklar.

Es sind sowohl medizinische Fragen offen als auch die Frage, welche Rolle das Sozialverhalten von Kindern und Jugendlichen spielt. Manches deutet darauf hin, dass sie eine eher untergeordnete Rolle spielen könnten.

Politiker mussten also Entscheidungen auf der Basis einer wackeligen Faktenlage treffen. Die so zögerliche wie inkonsequente Öffnung, die wir derzeit sehen, ist allerdings weder aus epidemiologischer noch aus der Perspektive von Schülern und Eltern zielführend.

Aus der Perspektive der Schüler gibt es einfach zu wenig Unterricht.

Aus der Perspektive der Eltern

Der Musterhygieneplan des Senats schreibt zum Beispiel das Lernen in verkleinerten Gruppen vor, sodass ein Erstklässler innerhalb des nächsten Jahres nur ein Fünftel seines Unterrichts erhalten würde. Viele haben derzeit gerade einmal fünf Wochenstunden.

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Viele Drittklässler werden ihr Klassenzimmer bis zu den Sommerferien nur an vier Tagen betreten können. Wie sollen dabei irgendwelche Bildungsziele erreicht werden?

Auch aus der Perspektive der Eltern macht die jetzige Situation wenig Sinn. Bei so geringen Stunden ist an eine normale Berufstätigkeit weiter kaum zu denken. Selbst Eltern, die bisher alle Maßnahmen der Eindämmungsverordnung akzeptiert haben, wollen das nicht länger hinnehmen.

[Der Seuchen-Effekt: Wie Pandemien die Gesellschaft verändern lesen Sie hier]

Sie gehen auf dem Zahnfleisch und rebellieren. Zoos, Parks, Spielplätze – alles ist wieder geöffnet. Nur Eltern sollen weiter selbst unterrichten?

Drittens scheint die jetzige Situation auch aus epidemiologischer Sicht inkonsequent. Momentan wird nämlich nur in Schulen und Kitas auf strikte Abstandshaltung sowie Trennung der Gruppen geachtet. Überall sonst sieht man die Jüngsten eng an eng.

Zweckfreies Durcheinander

An der Kitatür tragen die Eltern noch Maske, danach geht es weiter auf den Spielplatz – wo Eltern sich mundschutzfrei unterhalten und die Kinder zusammen spielen. Großeltern werden wieder zunehmend als Nachhilfelehrer und Betreuer eingesetzt, da Eltern schlicht nicht mehr können. In der Notbetreuung mischen sich wieder andere Kinder (wobei Unterricht hier unsinnigerweise nicht stattfindet).

Und wegen dieses zweckfreien Durcheinanders wird Kindern ihr wichtigstes Recht genommen? Für eine neue Normalität müssen sinnvollere Konzepte entwickelt werden. Und diese müssen den vollen Schulbesuch der Kinder ermöglichen.

Warum nicht jetzt bei gut durchlüfteten Räumen und vielen Aktivitäten im Freien wieder den Alltag erproben? Das kann man wissenschaftlich eng begleiten (wie es ja in einer bundesweiten Corona-Kita-Studie auch geschehen soll), um endlich bessere Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob und wie sich das Virus in Schulen und Kitas ausbreitet. Im Zweifel muss im Winter eine Unterbrechung mit digitalem Unterricht folgen.

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