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Unerwünschte Meldung. Politikerkinder stören den Schulfrieden, meinen manche.

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Tochter von AfD-Politiker abgelehnt: Privatschulen stehen nicht über dem Grundgesetz

Die Entscheidung der Berliner Schulverwaltung zum Kind eines AfD-Politikers ist falsch. Denn wer wird dann bald noch nach Hause geschickt? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Es ist ein befremdliches Ergebnis, mit dem Bildungssenatorin Sandra Scheeres eine Prüfung durch ihre Privatschulaufsicht abgeschlossen hat: Eine freie Schule, die Kindern wegen der politischen Gesinnung ihrer Eltern die Tür zuschlägt, handelt rechtlich korrekt. So hat es eine Berliner Waldorfschule bei der Tochter eines AfD-Abgeordneten getan. Kein Gleichheitsanspruch, kein Diskriminierungsverbot, das hier greifen soll. Sorry, so ist es nun mal mit den zunehmend beliebten Schulen in freier Trägerschaft, tönt es aus der Verwaltung. Sie dürfen sich ihre Klientel eben aussuchen.

Ja, das dürfen sie. Dürfen sie dabei Kinder diskriminieren? Nein, das dürfen sie nicht. Es fällt auf, dass die Behandlung des Falls durch die Schulverwaltung eher oberflächlich geblieben zu sein scheint. Ausführungen zum vielsagenden Satz des Grundgesetzes, wonach niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt werden dürfe, sind bislang noch nicht erkennbar geworden. Stattdessen werden Diskriminierungsverbote aus dem Schulgesetz sowie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz leichthändig ausgehebelt. Absicht soll dabei niemandem unterstellt werden. Aber doch ein fehlender Blick für das große Ganze.

Immerhin, ein Kind wegen seiner Hautfarbe abzulehnen, ist auch an Berliner Privatschulen verboten

Denn macht das Beispiel sprichwörtlich Schule, kann es außer Rechten oder Linken auch andere erwischen, die schlecht ins zuweilen politisch-moralisch anspruchsvolle Raster privater Schulträger passen. Ein Mädchen nach Hause schicken, weil seine Mutter Kopftuch trägt und es damit auch bald anfangen wird? Einen Jungen, weil er Sprössling einer Homo-Ehe ist? Oder sich selbst einem anderen Geschlecht zuordnet? Vieles scheint möglich bei dieser diskriminierungsfreundlichen Auslegung. Eine Grenze soll es schließlich nur geben, wo Rasse und ethnische Herkunft zu Kriterien werden. Immerhin, einem Kind seine Hautfarbe zum Vorwurf zu machen, ist auch an Berliner Privatschulen verboten.

Sollte die Bildungsverwaltung an ihrer Ansicht festhalten, wäre damit eine neue Aufgabe verbunden: Zu prüfen, ob das so bleiben kann. Das kann es nicht. Privatschulen sind frei, das Grundgesetz bekennt sich zu ihnen, sie stehen aber nicht über ihm. Auch wenn Scheeres damit einen Konflikt riskiert, sollte sie das Schulgesetz in dieser Hinsicht klarstellen.

Die Waldorfschule hat vergangenes Jahr viel Rückhalt für ihre vermeintlich hochpolitische Großtat erfahren. Das war einigermaßen naiv. Demokratie besteht wesentlich darin, mit jenen auszukommen, die die Welt anders betrachten als man selbst. Ein hohes Ziel, das schlecht zu erreichen ist, wenn Eltern- und Lehrergruppen sich, wie hier geschehen, gegenseitig in ihren exklusiv richtigen Ansichten bestärken und keine anderen mehr zulassen. Das Kind des AfD-Politikers soll jetzt an eine staatliche Schule. Womöglich kann man sagen: Glück gehabt.

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