zum Hauptinhalt
Ulf Kristersson, Chef der konservativen Partei, spricht im schwischen Parlament mit Jan Bjorklund, dem Vorsitzenden der liberalen Partei.

© Henrik Montgomery/Reuters

Stockende Verhandlungen: Schweden wartet weiter auf eine neue Regierung

Das Parlament stimmt am Mittwoch über den neuen Ministerpräsidenten ab. Weil die Rechtspopulisten drittstärkste Kraft sind, sind die Verhandlungen kompliziert.

Ulf Kristersson, Vorsitzender der schwedischen Konservativen, macht sich keine Illusionen. „Ich trete an, nicht weil ich mir sicher bin zu gewinnen, sondern weil ich mich verpflichtet fühle, es zu versuchen“, sagte der 54-Jährige, als er zu Beginn der Woche seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten bekannt gab. Sie wird bei der Abstimmung an diesem Mittwoch wohl mit einer Niederlage enden. Denn außer seiner eigenen Partei unterstützen ihn lediglich die Christdemokraten. Beide gemeinsam kommen jedoch nur auf ein Viertel der Stimmen. Dass Kristersson trotzdem antritt, hat mit den festgefahrenen Regierungsverhandlungen zu tun.

Nach der Wahl am 9. September war schnell klar, dass sie kompliziert werden würden. Die beiden großen Parteien, Sozialdemokraten und Konservative, mussten massive Stimmenverluste hinnehmen. Weder für das linke noch für das bürgerliche Lager reichte es zu einer eigenen Mehrheit – und die rot-grüne Minderheitsregierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven stand vor dem Aus. Gewinner der Wahl waren die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die mit knapp 18 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft im Land wurden. Das klassische Parteigefüge in Schweden war aus den Fugen geraten.

Der Aufstieg der Rechtspopulisten änderte alles

Lange hatten zwei Lager die schwedische Politik bestimmt: ein linkes aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei, ein rechtes aus Konservativen, Liberalen, Zentrumspartei und Christdemokraten. Letztere schlossen sich 2004 zur sogenannten Allianz zusammen. Die „Blockpolitik“ war geboren. Als geeinter bürgerlicher Block wollten die vier die Dominanz der Sozialdemokraten brechen, die seit über zwanzig Jahren fast ununterbrochen an der Macht waren.

Der Aufstieg der Schwedendemokraten änderte alles. Unter ihrem Vorsitzenden Jimmie Åkesson zogen die einwanderungsfeindlichen Nationalisten 2010 erstmals ins Parlament ein. Seitdem ging es kontinuierlich aufwärts und der Erfolg vom Herbst dieses Jahres hat die Machtbalance endgültig verschoben. Vor allem die Allianz ist davon betroffen, denn sie weiß nicht so recht, wie sie sich den erfolgreichen Populisten gegenüber verhalten soll. Noch im Wahlkampf war Ulf Kristersson als gemeinsamer Kandidat der Allianz angetreten. Doch Liberale und Zentrumspartei kündigten ihm diese Woche offiziell das Vertrauen.

Jimmie Akesson, Chef der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, hält eine Rede im schwedischen Landskrona.
Jimmie Akesson, Chef der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, hält eine Rede im schwedischen Landskrona.

© Johann Nilsson/Reuters

„Eine nationalistische Welle rollt über die ganze Welt“, stellte die Tageszeitung „Dagens Nyheter“ fest. „Fragen zu Kultur, Identität und Einwanderung werden immer wichtiger und diesbezüglich haben die vier bürgerlichen Parteien unterschiedliche Auffassungen.“ Trotz der diffusen Lage will Kristersson mit seiner im Prinzip aussichtslosen Kandidatur endlich Bewegung in die Regierungsverhandlungen bringen. Die waren in den vergangenen acht Wochen ein ermüdendes Spektakel, in dem alle Beteiligten gebetsmühlenartig alte Positionen vortrugen und keinen Schritt vorankamen.

Scheitert Kristersson im Parlament, dann muss es laut schwedischer Verfassung drei weitere Abstimmungen geben. Erst dann kann es zu Neuwahlen kommen. Doch auch sein Widersacher, der noch amtierende Regierungschef Stefan Löfven, ist weiter im Rennen. Der Streit im bürgerlichen Lager gibt ihm nun eventuell wieder Chancen.

Karin Bock-Häggmark

Zur Startseite