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Hubertus Knabe, langjähriger Direktor der Stasigefängnis-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, soll gehen.

© Maurizio Gambarini/dpa

Stasi-Gedenkstätte: Schweigen, weil man Hubertus Knabe fürchtet

Der Leiter des Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen hätte früher abberufen werden müssen. Er ist der DDR ähnlicher geworden, als er je wollte. Ein Kommentar.

Hubertus Knabe, langjähriger Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, wird wegen eines „dringend notwendigen Kulturwandels“ entlassen. Die offizielle Wortwahl zeigt, dass es hier Vorgeschichten gibt, von denen manche erst jetzt erzählen. Etwa, dass es seit Jahren „Gerüchte“ über eine sittliche Desorientierung des Leitungspersonals gegeben habe und ein mieses, teils autoritäres Betriebsklima. Spätestens als Knabe jetzt sagte, zum Respekt vor Beschäftigten gehöre Anteilnahme an deren Privatleben sowie „eine Prise Humor“, dürfte selbst jenen, die dem Historiker für seine Erinnerungsarbeit Kränze flechten, klar werden, dass es in der Gedenkstätte neben Stasi-Opfern auch Knabe-Opfer gab. Die allerdings lange geschwiegen haben.

Der gut Vernetzte verteilte Stasi-Dokumente - rechtswidrig

Der „Kulturwandel“, von dem der Stiftungsrat jetzt redet, wäre mit besserem Betragen gegenüber Untergebenen nur halb vollzogen. Der Gedenkstättendirektor hatte sich mit der Wucht seines Vorstandsamts immer wieder in Debatten eingeschaltet, vorzugsweise um ihm verhasste linke Umtriebe zu geißeln. Die Kurzzeit-Berufung des Stasi-belasteten Staatssekretärs Andrej Holm zum Skandalfall und zur Belastungsprobe der damals jungen Berliner Koalition zu machen war wesentlich auch Knabes Verdienst, zumal der gut Vernetzte neben seinen öffentlichen Kommentaren unter der Hand rechtswidrig Holms Stasi-Akte an Journalisten verteilte.

Statt Knabe, der anschließend ernsthaft behauptete, das sei alles seine Privatsache gewesen, dafür dienstrechtlich zu belangen, verschonte ihn der für Gedenkstätten zuständige Kultursenator Klaus Lederer. Eine schwer nachvollziehbare Unterlassung, vor allem, weil die Kulturverwaltung damals schon über Hinweise auf sexuell motivierte Übergriffe in der Gedenkstätte verfügte. Der Vorwurf an den Senator kann daher nicht lauten, einen politisch Missliebigen aus dem Amt gemobbt zu haben. Sondern eher: Wie konnte es sein, dass man vor dem angeblich jetzt so „dringend notwendigen Kulturwandel“ an der Direktorenstelle derart lange die Augen verschloss?

Einschüchterung und "Anteilnahme am Privatleben"

Die Antwort ist wohl: aus Furcht. Niemand wollte sich mit dem Mann anlegen, der Opfer und Bürgerrechtler so medienwirksam hinter sich versammeln und ihre Anklagen verstärken konnte. Erst der Schwung aus dem Me-Too-Hashtag verlieh den Beteiligten den Mut, sich von einem zu lösen, der seinen Stiftungsdienst nach eigenen Regeln versah. So zeigt sich am Fall Knabe beispielhaft, dass die DDR nichts ist, was einfach überwunden werden könnte. Einschüchterung, Druck von oben und eine zudringliche „Anteilnahme am Privatleben“, kurz: Ein freiheitsfeindliches Regime, das nur überlebt, weil allzu viele allzu furchtsam sind, kann es überall und jederzeit geben. Sogar mitten in Berlin.

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