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Ganz vorne. Horst Seehofer gibt sich versöhnlich. Auch bei der Frage nach der Obergrenze verzichtete der Bundesinnenminister auf Prinzipienreiterei.

© Odd Andersen/AFP

Bundesinnenminister: Seehofer: „Heimat und Vielfalt gehören zusammen“

Horst Seehofers erste Pressekonferenz als neuer Bundesinnenminister zeigte ihn von zwei Seiten. Und dann gab es doch noch ein Wort zum Islam.

Von Robert Birnbaum

Vollends vertraut ist er noch nicht mit dem neuen Haus. Am Donnerstag strebt Horst Seehofer der Mitte des ellenlangen Tischs entgegen, um den herum die halbe Hauptstadtpresse sich quetscht, als ihn jemand dezent zurückruft: Am Kopfende, Herr Minister! „Dass ich in Berlin ganz vorne sitze, ist mir neu“, frozzelt der Bayer, trollt sich aber brav zum vorbestimmten Platz. Alle fünf beamteten Staatssekretäre hat er mitgebracht zur ersten Pressekonferenz im frisch erworbenen Amt, dazu Nora Petermann, neue Leiterin der Pressestelle.

„Vielleicht könnten Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass ich an meiner Seite eine Frau sitzen haben“, sagt Seehofer. Das ist ihm schon wichtig, weil es sein erstes Mannschaftsfoto zu hämischer Berühmtheit im Netz gebracht hat – neun Männer in der Führung des Hauses, keine einzige Frau. Aber das habe er ja nun bei erster Gelegenheit korrigiert, und außerdem hätte er seine Amtschefin Katharina Gernbauer aus München gern mitgenommen, die aber aus privaten Gründen nicht wollte, und überdies sei ihm die Frauenförderung in Führungspositionen im neuen Hause ein wichtiges Anliegen.

Seehofer gibt es bekanntlich in zwei Versionen: Brüllender Löwe hier, schnurrendes Kätzchen da. Nach vier harten Sätzen zu den Krawallen im Flüchtlingslager Ellwangen wird diesmal die Schnurr-Variante geboten. Mit die häufigsten Worte in zwei Stunden lauten „koalitionstreu“, „gemeinsam“ und „human“.

Schon bei der ersten Botschaft tauchen sie sogar zu dritt auf. Der Gesetzentwurf zum Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge soll nächste Woche ins Kabinett, man hat sich koalitionär in den letzten Streitpunkten geeinigt. Das ging ohne viel Aufhebens, weil Seehofer keine Prinzipien geritten hat, sondern zum Beispiel der SPD mit einer flexiblen Obergrenze in der Anlaufphase entgegenkam: 5000 Nachzügler in fünf Monaten statt sklavisch höchstens 1000 pro Monat, auch dann, wenn das Kontingent anfangs nicht ausgeschöpft sein sollte.

Er verspricht eine gute Zusammenarbeit

Auch sonst verspricht der neue Minister allen, für die er jetzt zuständig ist, eine vernünftige Zusammenarbeit. Das gilt vorweg für die Bundesländer – „Sicherheit geht nur gemeinsam“ –, aber auch für die Muslime im Land. Er sei entschlossen, die Islam-Konferenz fortzuführen, die sein Vor-Vor-Vorgänger Wolfgang Schäuble eingerichtet hatte, sagt Seehofer. Was seinen Satz angeht, dass der Islam „nicht zu Deutschland“ gehöre, bittet er auf die Differenzierung zu achten. Einerseits sei da die Frage, was Deutschland „kulturell und geschichtlich geprägt“ habe, andererseits sei es keine Frage: „Natürlich gehören die Muslime, die bei uns leben, zu uns.“

So geht es weiter. Beim Stichwort Heimat outet sich der CSU-Mann gar als Joschka-Fischer-Fan: „Heimat ist dort, wo man geborgen ist und Halt hat“, hat der Obergrüne einmal gesagt. „Heimat und Vielfalt gehören zusammen“, ergänzt der Oberschwarze. Wenn dieser Begriff neuerdings so bespöttelt werde, dann mache ihn das regelrecht betroffen: „Schwierig wird’s immer, wenn’s ideologisch wird.“

In der Tat klingt das Programm, das der Minister und sein Staatssekretär Markus Kerber in Grundzügen für diesen neuen Teil des Ministeriums umreißen, nicht nach staatlich verordneter Lederhose und Kuckucksuhr, sondern nach schlichter Vernunft. In Bayern seien in einstigen Krisenregionen wie Niederbayern die Lebensverhältnisse inzwischen besser als in München – dank gezielter Förderung von Infrastruktur und Staatseinrichtungen, enger Kooperation mit der Wirtschaft, den Gemeinden und den Landkreisen. Kerber kann Erfahrungen aus seiner Heimatstadt Ulm beitragen, die dank weitsichtiger Lokalpolitiker den Wandel von sterbender Industrie zu boomender Forschung schaffte.

Seehofer würde solche Modelle gerne auf das ganze Land übertragen. Er stellt sich das so vor, dass sein Haus Konzepte entwirft und die anderen Fachministerien ihre Programme danach ausrichten. Er wolle nicht mit Förderbescheiden über Land ziehen, sagt Seehofer. Wäre nicht gerade alles friedlich, könnte man das als klitzekleine Spitze gegen Markus Söder lesen, der ebendies als bayerischer Heimatminister tat, bevor er seinen Ministerpräsidenten stürzte.

Das Konzept-Konzept setzt freilich voraus, dass die anderen mitmachen. Anders als zu seiner Zeit als Alleinherrscher in Bayern kann der CSU-Chef in Berlin die anderen nicht anweisen. Aber da soll wieder das Zauberwort „gemeinsam“ helfen, notfalls ergänzt durch „koalitionstreu“. Außerdem geht er von gemeinsamem Interesse aus: Strukturpolitik könne verhindern, dass die Menschen in schwierigen Regionen zu Radikalen überliefen.

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